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Kristin Lavranstochter 2

Titel: Kristin Lavranstochter 2 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sigrid Undset
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Brüder die Priesterweihe erhielten, ehe sie das dreißigste Jahr vollendet hätten, und er wollte bei Nikulaus nicht von dieser Regel abweichen. Und als der würdige Vater fand, daß Nikulaus mehr las und grübelte, als seine geistige Reife es eigentlich zuließ, und daß er seine Gesundheit mit Frömmigkeitsübungen schädigte, wollte er ihn auf einen der Höfe des Klosters auf Inderöy senden, auf daß er dort unter der Leitung älterer Mönche einen Apfelgarten anpflanze. Da soll Nikulaus in Ungehorsam gegen den Abt ausgebrochen sein, seinen Brüdern vorgeworfen haben, sie hätten durch ihr Wohlleben die Güter des Klosters vergeudet, seien nachlässig im Gottesdienst und führten unschickliche Reden. Der größte Teil dieser Angelegenheiten kam ja nicht über den Konvent hinaus, sagte Gunnulv, aber Nikulaus soll sich auch gegen jenen Bruder zur Wehr gesetzt haben, der vom Abt beauftragt war, ihn zu bestrafen. Eine Zeitlang hatte er im Karzer gelegen, das wußte Gunnulv, aber schließlich war er doch zu Kreuz gekrochen, als der Abt ihm damit gedroht hatte, ihn von seinem Bruder Björgulv zu trennen und einen von ihnen beiden nach Munkabu zu senden - es sei offenbar der blinde Bruder, der ihn aufsässig mache. Da aber wurde Nikulaus bußfertig und zahm.
    „Das ist die Art des Vaters, die in ihnen steckt“, sagte Gunnulv bitter. „Es war nicht anders zu erwarten, als daß es meinen Brudersöhnen schwerfallen würde, gehorsam zu sein und Beständigkeit in einem göttlichen Vorsatz zu zeigen ...“
    „Das kann ebensogut ihr mütterliches Erbe sein“, antwortete Kristin bekümmert. „Ungehorsam war meine Hauptsünde, Gunnulv - und unbeständig war ich auch. Mein ganzes Leben lang sehnte ich mich danach, sowohl den richtigen Weg zu gehen als auch desungeachtet doch meinen eigenen Irrwegen zu folgen.“
    „Erlends Irrwegen, meinst du“, sagte der Mönch finster. „Nicht nur einmal verführte mein Bruder dich, Kristin, sondern ich glaube, er verführte dich jeden Tag, den du mit ihm lebtest. Vergeßlich machte er dich, so daß du es nicht fühltest, wenn du
    Gedanken nachhingst, über die du erröten mußtest, weil du vor Gott dem Allwissenden nicht verbergen konntest, was du dachtest.“
    Kristin starrte vor sich hin.
    „Nun weiß ich nicht, Gunnulv, ob du recht hast - ebensowenig weiß ich, ob ich je vergessen habe, daß Gott in mein Herz hineinsah, meine Sünde ist wohl größer. Trotzdem verhält es sich nicht so, wie du vielleicht glaubst, ich muß mich nicht am meisten für meine schamlose Begierde und für meine Schwachheit schämen, sondern vielmehr dafür, daß meine Gedanken über meinen Gemahl oft viel bösartiger waren als Schlangengift. Aber das Letzte mußte wohl nach dem Ersten kommen - du warst es, der mir einmal sagte, jene, die einander mit der heißesten Begierde geliebt haben, enden damit, daß sie wie zwei Schlangen sind, die einander in den Schwanz beißen.
    Das aber war mein Trost in diesen Jahren, Gunnulv, sooft ich daran dachte, daß Erlend ungeborgen und ohne Hilfe vor Gottes Richterstuhl treten mußte, niedergeworfen mit Zorn im Herzen und Blut an den Händen - er wurde nicht so, wie du sagtest und wie ich geworden bin. Er bewahrte Zorn und Unrecht nicht länger auf, als er andere Dinge aufbewahrte. - Gunnulv, er war so schön und sah so friedlich aus, als ich seine Leiche angekleidet hatte - ich weiß, daß Gott der Allwissende weiß, Erlend hat nie gegen irgendeinen Mann oder um irgendeiner Sache willen Groll in seinem Herzen gehegt.“
    Der Bruder sah sie mit weitoffenen Augen an. Dann nickte
    er.
    Nach einer Weile fragte der Mönch:
    „Weißt du, daß Eiliv Serkssohn Priester und Verwalter bei den Nonnen draußen auf Rein ist?“
    „Nein!“ rief Kristin jubelnd glücklich.
    „Ich glaubte, dies sei der Grund, weshalb du dich entschlossen hättest, dort einzutreten“, sagte Gunnulv. Gleich danach sprach er davon, daß er zu seinem Kloster zurückkehren müsse.
    Die erste Nocturne hatte angefangen, als Kristin in die Kirche kam. Im Langschiff und rings um alle Altäre herrschte ein dichtes Gedränge von Leuten, aber ein Kirchendiener, der sah, daß sie ein sehr krankes Kind in den Armen hielt, schob und drängte sie in der Menge vorwärts, so daß sie bis vor zu der Schar der Krüppel und Allerkränksten kam, die sich mitten in
    der Kirche, unter dem Gewölbe des Hauptturmes, gelagert hatten und von dort unbehindert bis vor zum Chor sehen konnten.
    In der Kirche brannten viele

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