Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Kristin Lavranstochter 2

Titel: Kristin Lavranstochter 2 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sigrid Undset
Vom Netzwerk:
ab.

5
    Dann war sie schließlich angelangt. Kristin Lavranstochter saß da und rastete auf einem Heuhaufen auf dem Weg unterhalb der Sionsburg.* Die Sonne schien, und der Wind wehte; der Teil der Wiese, der noch nicht abgemäht war, wogte mit seinen blühenden Halmen rot und glänzend wie Seide. So rot war die Wiese nur hier im Drontheimischen. Unterhalb des Hanges konnte sie einen Streifen des Fjords sehen, dunkelblau und mit schaumgekrönten Wellen, frische weiße Brandung sprang an den Felsen herauf, den ganzen Weg entlang, soweit sie das Ufer unter der von Wäldern grünen Landzunge sah.
    Kristin atmete tief auf. Immerhin - es tat gut, wieder hier zu sein, gut, obgleich es seltsam war, zu wissen, daß sie jetzt nie mehr von hier weg sollte. Die graugekleideten Schwestern draußen auf Rein lebten nach derselben Regel, der Regel Sankt Bernhards, wie die Brüder in Tautra. Wenn sie sich bei Morgengrauen erhob und zur Kirche ging, wußte sie, daß jetzt auch Naakkve und Björgulv sich an ihren Platz im Chor der Mönche begaben. So würde sie dennoch im Alter mit einigen ihrer Söhne zusammen leben können - wenn auch nicht auf die Weise, wie sie einstmals gedacht hatte.
    Sie zog Schuhe und Strümpfe aus, wusch ihre Füße im Bach. Nach Nidaros wollte sie barfuß gehen.
    Hinter ihr auf dem Weg zum Schloßberg hinauf lärmten einige Knaben - sie waren oben unter dem Torkastell und versuchten, dort einen Weg in die verfallene Festung zu finden. Als sie Kristins gewahr wurden, begannen sie freche Worte zu
    * König Sverre gab dieser Festung den Namen Sion.
    ihr hinunterzurufen und lachten und schrien dazu. Sie tat, als höre sie nichts, bis ein kleiner Kerl - acht Jahre mochte der Bursche wohl alt sein - sich über den steilen Hang hinunterrollen ließ, beinahe auf sie aufprallte und dabei einige häßliche Worte ausstieß, die er im Übermut den Älteren nachplapperte. Kristin wandte sich ihm zu und sagte lächelnd:
    „Du brauchst nicht so zu schreien, damit ich merke, daß du ein Trollkind bist, ich sehe das daran, daß du die Trollhosen anhast.“
    Als die Knaben hörten, daß Kristin antwortete, kam die ganze Schar herangesprungen. Aber sie verstummten und waren beschämt, als sie sahen, daß sie eine alte Frau im Pilgergewand vor sich hatten und daß diese sie um ihrer bösen Worte willen nicht schalt, sondern nur dasaß und sie mit großen, klaren und ruhigen Augen und einem verstohlenen leisen Lächeln um den Mund ansah. Sie hatte ein rundes, mageres Gesicht mit breiter Stirn und einem kleinen geschwungenen Kinn, sie war sonnverbrannt und unter den Augen ganz runzlig, sah aber dennoch nicht sehr alt aus.
    Da begannen die dreistesten der Knaben zu sprechen und zu fragen, um die Verwirrung der Schar zu verbergen. Kristin fühlte sich dem Lachen nahe - diese Burschen erinnerten sie so sehr an ihre eigenen, an die Zwillinge, als diese klein waren, obgleich sie zu Gott hoffte, daß ihre Kinder doch wohl nie so schmutzige Reden geführt hatten. Diese Kinder hier schienen von kleinen Leuten aus der Stadt zu stammen.
    Und als der Augenblick kam, nach dem sie sich während der ganzen Wanderung gesehnt hatte, als sie unter dem Kreuz auf Feginsbrekka stand und auf Nidaros hinunterblickte, vermochte sie dennoch nicht, ihre Seele zur Andacht oder zur Nachdenklichkeit zu sammeln. Alle Glocken der Stadt ließen in diesem Augenblick gleichzeitig ihre Stimmen erklingen und läuteten zur Vesper, die Knaben aber redeten eifrig auf sie ein und wollten ihr alles erklären, was sie sah.
    Tautra konnte sie nicht sehen, denn unterhalb von Frosta ging gerade eine Bö, von Nebel und Regenschauern begleitet, über den Fjord.
    Inmitten der Knabenschar schritt sie den steilen Pfad zwischen den Felsen hinunter. Und jetzt läuteten ringsum Kuhglocken und schrien und jauchzten die Hirten - die Kühe zogen von der Weide heim. An der Pforte der Burg über Nidareid mußten Kristin und ihre jungen Begleiter warten, während das Vieh hindurchgetrieben wurde - die Hirten schrien, riefen und schalten, Stiere kämpften miteinander, Kühe drängten sich vor, und die Knaben erklärten ihr, wem dieser oder jener Stier gehöre. Und als sie alle durch das Tor hindurch waren und zu den Gassen hinuntergingen, hatte Kristin mehr als genug damit zu tun, darauf achtzugeben, wo sie ihre nackten Füße zwischen dem Kuhmist auf den aufgeweichten Wegen hinsetzen sollte.
    Einige der Knaben begleiteten sie ungebeten bis in die Christkirche hinein. Und als sie in dem

Weitere Kostenlose Bücher