Kristin Lavranstochter 2
daß du hier seist - er fürchtete, es könnten allzu viele Gedanken wach werden ...“
Von da an saß sie nur zu Tode betrübt da und betrachtete Nikulaus, während er sprach. Sein Gesicht war ganz sonnverbrannt, und seine Hände trugen die Zeichen schwerer Arbeit -er erzählte mit einem kleinen Lächeln, daß er jetzt doch habe lernen müssen, einen Pflug zu lenken und Sense und Sichel zu handhaben. Sie fand in der Nacht in der Herberge keinen Schlaf und eilte zur Kirche, als es zum Frühgesang läutete. Aber die Mönche standen so, daß sie nur von einigen wenigen die Gesichter sehen konnte, und ihre Söhne fand sie nicht unter ihnen.
Am nächsten Tag ging sie mit einem Laienbruder in den Garten, in dem dieser arbeitete, und er zeigte ihr die vielen seltenen Gewächse und Bäume, um derentwillen der Garten berühmt war. Während sie so dahinwanderten, zerrissen die Wolken, die Sonne kam hervor, und der Duft von Sellerie, Zwiebel und Thymian stieg empor, und die großen Büsche goldener Lilien und blauer Akeleien, die in den Ecken der Beete standen, glitzerten, schwer von Regentropfen. Da kamen ihre Söhne, sie traten alle beide aus der kleinen gewölbten Tür des Steinhauses. Und Kristin dünkte es, als sie die beiden hohen, hellgekleideten Brüder auf dem Weg zwischen den Apfelbäumen auf sich zukommen sah, sie verspüre einen Vorgeschmack des Paradieses.
Sie redeten nicht viel miteinander; Björgulv schwieg fast die ganze Zeit. Er war ein Riese an Gestalt geworden, seit er völlig erwachsen war. Und die lange Trennung hatte ihren Blick gleichsam geschärft; jetzt erst erfaßte sie ganz, wie dieser ihr Sohn gekämpft hatte - und wahrscheinlich noch kämpfte in der Zeit, da sein Körper so groß und stark heranwuchs, während sein innerer Blick zunahm und er fühlte, wie ihm das Augenlicht schwand.
Einmal fragte er nach seiner Pflegemutter, Frida Styrkaarstochter. Kristin erzählte, daß sie geheiratet habe.
„Gott segne sie“, sagte der Mönch. „Sie war ein gutes Weib -zu mir war sie eine gute und getreue Pflegemutter.“
„Ja, ich glaube fast, sie war dir mehr als ich“, erwiderte Kristin betrübt. „Nur wenig bekamst du mein mütterliches Herz zu spüren, als du in deiner Jugend so hart geprüft wurdest.“
Leise antwortete Björgulv:
„Ich danke Gott dafür, daß der Feind mich trotzdem nicht so zur Unmännlichkeit zu beugen vermochte und ich Euer Mutterherz nicht einer so schweren Prüfung aussetzte - obgleich ich nahe daran war -, aber ich sah, daß Ihr bereits eine so schwere Bürde trugt - und nächst Gott war es Nikulaus hier, der mich rettete, jedesmal, wenn ich der Versuchung unterliegen wollte...“ Es wurde nicht weiter darüber gesprochen und auch nicht darüber, wie es ihnen im Kloster erging oder daß sie unrecht getan und sich Ungnade zugezogen hatten. Aber sie schienen sehr erfreut zu sein, als sie von dem Vorsatz der Mutter hörten, in das Kloster Rein zu gehen.
Wenn Kristin nach dieser Gebetsstunde durch das Dormitorium zurückkam und die Schwestern je zwei und zwei auf ihren Strohsäcken in den Betten schlafen sah, in ihrem Gewand, das sie niemals ablegten, dachte sie daran, wie wenig Ähnlichkeit sie wohl mit diesen Frauen besaß, die von Jugend an nur ihrem
Schöpfer gedient hatten. Die Welt war ein Herr, dem man nicht leicht entfliehen konnte, wenn man sich erst einmal in seine Gewalt gegeben hatte. Ja, sie war ja wohl auch nicht vor der Welt geflohen, sondern sie war ausgestoßen worden, wie eine ausgediente Magd von einem harten Hausvater vor die Türe gejagt wird - und jetzt war sie hier aufgenommen worden, wie ein alter Dienstbote von einem barmherzigen Herrn aufgenommen wird, der ihm aus Erbarmen ein wenig Arbeit anweist, während er das abgearbeitete und freundlose alte Wesen beherbergt und ernährt.
Vom Schlafhaus der Nonnen führte ein überdeckter Gang zur Webstube hinüber. Dort saß Kristin allein und spann; die Nonnen von Rein waren um ihrer Leinwand willen berühmt, und die Tage im Sommer und im Herbst, an denen alle Frauen und Laienschwestern zur Arbeit auf die Flachsäcker hinausgingen, waren wie Festtage im Kloster, namentlich aber der Tag, an dem die Pflanzen ausgerupft wurden. Die Zubereitung des Flachses, das Spinnen und Weben der Leinwand und die Verarbeitung zu Kirchengewändern bildeten die Hauptbeschäftigung der Nonnen in den Arbeitsstunden. Hier gab es niemand, der abschrieb und Bücher ausschmückte, so wie es die Schwestern in Oslo unter Frau
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