Kristin Lavranstochter 2
während er durch die Stube ging, aufrecht und leichten Schrittes, und seinen Schwager begrüßte. Dabei redete Ulvhild so laut dazwischen, daß Erlend und Simon kaum zu Worte kommen konnten.
Der Vater befahl ein wenig barsch, sie solle jetzt zu den Mägden ins Küchenhaus hinübergehen - sie waren gerade mit dem Tischdecken fertig geworden. Als die Kleine ihm widersprach, packte er sie hart am Arm und riß sie von Erlend los.
„Da!“ Der Oheim nahm ein Stück Harz aus dem Mund und schob es dem Kind zwischen die Lippen. „Nimm das da, Ulvhild, Pflaumenwange! - Diese deine Tochter“, sagte er lachend und blickte dem Mädchen nach, „wird wohl nicht so fügsam werden wie Arngjerd, Schwager!“
Simon hatte sich nicht enthalten können, seiner Frau zu erzählen, wie schön Arngjerd diese Heiratsangelegenheit aufgefaßt hatte. Doch war es nicht seine Meinung gewesen, daß sie dies den Leuten auf Jörundhof erzählen sollte. Auch sah es Ramborg gar nicht ähnlich - er wußte, daß sie Erlend nicht recht leiden konnte. Er mochte es nicht - weder daß sie über diese Sache gesprochen hatte, noch daß Ramborg so unberechenbar war und auch nicht, daß Ulvhild, so klein sie noch war, Eilend so gern zu haben schien - sie, wie fast alles, was Röcke trug...
Er trat zu Kristin und begrüßte sie; sie saß in dem Winkel bei der Ofenwand und hielt Andres auf dem Schoß. Der Knabe hatte seine Muhme in der Zeit, in der sie ihn während seiner Genesung nach der Krankheit im vergangenen Herbst pflegte, sehr liebgewonnen.
Simon begriff, daß die beiden ihn mit einer bestimmten Absicht aufsuchten, da Erlend dabei war. Er nützte die Türschwellen auf Formo nicht ab. Simon konnte nicht leugnen, daß Erlend mit der schwierigen Stellung sehr gut zurechtkam -nachdem sich das Verhältnis zwischen den Schwägern nun einmal so gestaltet hatte. Erlend mied den anderen, soviel er nur konnte, aber sie trafen einander so oft, wie es nötig war, um im Tal kein Gerede über eine Feindschaft zwischen den Verwandten aufkommen zu lassen, und bei diesen Gelegenheiten begegneten sie einander wie die besten Freunde. Erlend war bei ihren Begegnungen still und hielt sich ein wenig zurück. Trotzdem aber hatte er ein freies und ungezwungenes Wesen.
Als das Essen vom Tisch abgetragen und das Bier hereingestellt worden war, sagte Erlend:
„Ich denke, du wirst dich über den Anlaß meines Kommens wundern, Simon, wir sind hier, um dich und Ramborg zu uns zur Hochzeit einzuladen.“
„Da scherzest du wohl? Mir ist nichts davon bekannt, daß du auf deinem Hof heiratsfähige Leute hast.“
„Wie man’s nimmt, Schwager. Es handelt sich um Ulv Haldorssohn ...“
Simon schlug sich auf die Schenkel.
„Jetzt glaube ich aber, daß meine Pflugochsen zu Weihnachten kalben!“
„Du darfst Ulv nicht einen Pflugochsen nennen“, sagte Erlend lachend. „Im Gegenteil, das Unglück ist, daß der Mann nur allzu übermütig war ..."
Simon stieß einen Pfiff aus. Erlend lachte wiederum und sagte:
„Ja, du kannst dir denken, ich traute meinen eigenen Ohren nicht, als sie heute auf meinen Hof kamen, die Herbrandssöhne von Medalheim, und forderten, daß Ulv ihre Schwester ehelichen solle.“
„Herbrand Rembas? Aber das sind ja noch ganz junge Burschen - ihre Schwester kann doch nicht so alt sein, daß Ulv .. .“ „Sie ist zwanzig Winter alt. Und Ulv nahe den Fünfzigern. Ja.“ Erlend war ernsthaft geworden. „Du begreifst wohl, Simon - sie müssen freilich damit rechnen, daß Jardtrud mit ihm eine mäßige Heirat macht; nun ist es aber das kleinere von den zwei Übeln, wenn sie ihn bekommt. Obgleich Ulv ein Ritterssohn und ein wohlhabender Mann ist - sein Brot nicht auf dem Hof eines anderen zu suchen brauchte. Aber er begleitete uns ins Tal hierher, weil er lieber mit uns, seinen Verwandten, zusammen leben wollte, als auf seinem eigenen Hof in Skaun zu sitzen - nach allem, was sich zugetragen hat
Erlend schwieg ein wenig. Sein Gesicht war weich und schön. Dann fuhr er wieder fort:
„Jetzt wollen wir, Kristin und ich, seine Hochzeit so ausrichten, als ob er unser Bruder wäre. Es ist verabredet worden, daß Ulv und ich in der kommenden Woche nach Musudal hinunterreiten und die Werbung auf Medalheim Vorbringen. Des guten Scheines halber, verstehst du. Nun aber hätte ich eine Bitte an dich, Schwager. Ich weiß, Simon, daß ich schon tief in deiner Schuld bin. Aber Ulv ist hier im Tal nicht beliebt. Und du stehst hier in so hohem Ansehen, daß nur
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