Kristin Lavranstochter 2
Jorunn kaum beachtet - wußte nicht einmal mehr, wie es hatte zugehen können, daß er der Magd zu nahe gekommen war. In jenem Winter war er viel bei Freunden und Bekannten auf Zechgelagen gewesen, und wenn er dann auf den Hof seiner Frau heimkehrte, saß Jorunn da und achtete darauf, daß er ins Bett kam, ohne mit Feuer und Licht ein Unglück anzurichten.
Großartiger war dieses Abenteuer nicht gewesen.
Und um so weniger hatte er verdient, daß das Kind nun so gut geartet war und ihm solche Freude bereitete. Und im übrigen durfte er sich jetzt nicht mit solchen Gedanken befassen, er sollte an seine Beichte denken ...
Als Simon im Finstern von Romundhof heimkehrte, regnete es ganz fein.. Er ging schräg über die Äcker dahin. Im letzten bleichen Schein des Tageslichtes schimmerten die Stoppeln bleich und naß. Drüben an der Balkenwand der alten Badestube lag etwas Kleines, Weißes und leuchtete bis zu ihm herunter. Simon ging hin und sah nach. Es waren die Scherben der französischen Schale, die er im Frühling zerschlagen hatte - die Kinder hatten auf einem Brett, das über zwei Steine gelegt war, den Tisch damit gedeckt. Simon schlug mit der Stabaxt danach und warf alles über den Haufen.
Im selben Augenblick ärgerte er sich über sich selber. Aber er konnte es nicht leiden, an jenen Abend erinnert zu werden.
Gleichsam als Buße dafür, daß er eine Sünde verschwieg, hatte er mit Sira Eirik über jene Träume gesprochen. Ja, und auch, weil es ihm not tat, sein Herz wenigstens um diese Sache zu erleichtern. Er war schon im Begriff zu gehen - da überfiel es ihn mit einemmal, er mußte doch darüber reden. Und dieser alte, halbblinde Pfarrer war ja mehr als zwölf Jahre sein geistlicher Vater gewesen.
So ging er zurück und kniete wieder vor Sira Eirik nieder.
Unbeweglich saß der Priester da, bis Simon ausgeredet hatte. Dann sagte er, die machtvolle Stimme klang jetzt alt und verschleiert aus der ewigen Dämmerung heraus: Eine Sünde sei es nicht. Jedes Glied der kämpfenden Kirche müsse im Streit mit dem Feind erprobt werden; darum lasse Gott es zu, daß der Teufel den Menschen mit vielerlei Versuchungen heimsuche. Solange ein Mann seine Waffen nicht wegwerfe - solange er die Fahne des Königs nicht verrate, nicht wach und bewußt in die Gesichte einwillige, mit denen jener unreine Geist ihn bezaubern möchte - so lange seien die sündigen Gedanken, die ihn überfielen, keine Sünde.
„Nein!“ Simon war von Scham erfüllt, als er seine eigene Stimme vernahm.
Eingewilligt hatte er nie. Er wurde von ihnen gequält, gequält, gequält. Wenn er nach solchen sündigen Träumen erwachte, so hatte er ein Gefühl, als sei ihm selbst im Schlaf Gewalt angetan worden.
Als er auf den Hofplatz kam, standen dort zwei fremde Pferde an den Zaun angebunden. Es war Erlend Nikulaussohns Ruß und Kristins Reitpferd. Simon rief den Pferdeknecht herbei - warum die Tiere nicht eingestellt worden seien? Weil die Gäste gesagt hätten, das sei nicht nötig, antwortete der Knecht verdrossen.
Es war ein junger Knecht, der sich Simon jetzt, als dieser auf seinem Heimathof gewesen war, angeschlossen hatte - früher hatte er auf Dyfrin gedient. Dort sollte jetzt alles gleichsam nach Rittersart gehen, das hatte Helga erreicht. Wenn aber dieser Dummkopf Sigurd glaubte, Simon lasse es hier auf Formo zu, daß einer gegen ihn als Herrn aufmucke, weil er selber gern lustig redete und mit seinen Leuten scherzte und auch gern von einem Diener eine übermütige Antwort duldete, dann sollte der Teufel.. . Simon wollte gerade dem Burschen gehörig den Kopf zurechtsetzen - als er wieder innehielt; er kam ja doch geradeswegs von der Beichte. Jon Daalk sollte sich dieses Neuangekommenen annehmen und ihn lehren, daß guter Bauernbrauch ebenso feste Regeln hatte wie das höfische Wesen auf Dyfrin ...
So fragte er nur einigermaßen ruhig, ob Sigurd denn erst aus dem Ei geschlüpft sei, und hieß ihn die Pferde einstellen. Aber er war ärgerlich.
Das erste, was er bei seinem Eintritt in die Stube sah, war Erlends lachendes Gesicht - das Licht der Kerze auf dem Tisch fiel gerade auf ihn, wie er auf der Bank saß und sich gegen Ulvhild wehrte, die neben ihm kniete und ihn zu kitzeln versuchte, oder was es nun war; sie griff mit den Händen in das Gesicht des Mannes und lachte dabei, daß es gluckste. Erlend sprang auf, wollte die Kleine beiseite schieben, sie aber klammerte sich an seinem Joppenärmel fest und blieb an seinem Arm hängen,
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