Kristin Lavranstochter 2
Hände auf Erlends Schwertknauf gelegt und geschworen hatten, ihrem Anführer zu folgen! Waren sie solche Schafe gewesen, daß sie sich von Erlends Redegewandtheit und kühnem Wesen blenden ließen und glauben konnten, dieser Mann besitze die Gaben eines Anführers - so war es nicht anders zu erwarten, daß sie sich wie ängstliche Schafe benahmen, als der ganze Plan mißglückte. Trotzdem schien es ihm vor den Augen zu flimmern, wenn er an das dachte, was er jetzt auf Dyfrin erfahren hatte; so viele Männer hatten es gewagt, den Landfrieden und ihre eigene Wohlfahrt in Erlends Hände zu legen - auch Haftor Olavssohn und Borgar Trondssohn! Und nicht einer hatte den Mut gehabt, hervorzutreten und vom König zu verlangen, daß man Erlend einen ehrenhaften Vergleich vergönne und ihm seine Erbgüter belasse. Sie waren ihrer so viele, daß sie, hätten sie zusammengestanden, dies leicht hätten erzwingen können. Es lebten wohl noch weniger Verstand und Mannesmut unter den Vornehmen Norwegens, als er geglaubt hatte.
Wütend war er auch deshalb, weil man ihn selbst ganz außerhalb dieser Pläne gehalten hatte. Nicht, daß sie ihn zur Teilnahme an einem so kopflosen Plan hätten veranlassen können.
Aber daß sowohl Erlend als auch Gyrd hinter seinem Rücken gehandelt und ihm dies verborgen hatten. Er war doch wohl ein ebenso guter Adeliger wie irgendeiner der anderen und galt nicht wenig in den Gemeinden, wo die Leute ihn kannten.
In einer Weise gab er Gyrd recht. So unwürdig wie Erlend sich seiner Stellung als Anführer gezeigt hatte, konnte er gerechterweise nicht verlangen, daß seine Bundesgenossen hervortraten und ihre Zusammengehörigkeit mit ihm erklärten. Simon wußte, hätte er Gyrd allein angetroffen, wäre es nie dahin gekommen, daß er sich in dieser Weise von seinen Brüdern getrennt hätte. Da aber war dieser Ritter Ulv dabei und streckte seine langen Beine von sich und schilderte Erlends Dummheit -jetzt hinterher! Und dann ergriff Gudmund das Wort. Weder Gyrd noch er selber hatten es bisher je zugelassen, daß der jüngste Bruder ihrer Meinung widersprach. Seitdem er aber die Buhlerin des Priesters, die später seine eigene Buhlerin war, geheiratet hatte, war der Bursche so aufgeblasen und stolz und selbstsicher geworden - Simon hatte nur dagesessen und Gudmund angestarrt und war bei seinem Anblick immer wütender geworden, er redete so wichtig, und sein rundes rotes Gesicht glich so sehr einem Kinderarsch, daß es Simon in den Fingern juckte zuzuschlagen. Zum Schluß hatte Gudmund wohl selbst kaum mehr gewußt, was er zu den drei Männern sagte.
Nun war es also zum Bruch zwischen ihm und seinen Brüdern gekommen. Wenn er daran dachte, hatte er ein Gefühl, als solle er verbluten - als seien Bande aus Fleisch und Blut zerrissen worden. Dies machte ihn arm. Ungeschützt ist des Bruderlosen Hintern...
Aber wie es sich nun auch verhielt, mitten in dem heftigen Wortwechsel hatte er plötzlich erkannt - er wußte selbst nicht, auf welche Weise -, Gyrds erloschenes, erstarrtes Wesen kam nicht allein daher, daß der Bruder in seinem Heim wenig Frieden fand. Gyrd mochte Helga immer noch gern, das hatte Simon sofort gesehen; dies war es, was den Bruder so seltsam gebunden und kraftlos machte. Und dies weckte auf eine unbegreifliche geheimnisvolle Weise seine Wut über - ja, über das ganze Leben.
Simon verbarg das Gesicht in seinen Händen. Ja, sie waren gute, gehorsame Söhne gewesen. Ihm und auch Gyrd war es leichtgefallen, Liebe zu den Bräuten zu fassen, mit denen der Vater zu ihnen kam und sagte, er habe sie ihnen auserwählt.
Der Alte hatte ihnen einen ganzen Abend lang richtig schön vorgeredet, so daß sie beide schließlich ganz schüchtern dagesessen hatten - hatte von Heirat und Freundschaft und Treue zwischen ehrbaren höfischen Eheleuten gesprochen, ja zum Schluß sprach der Vater von Fürbitte und Messen. Es war schlimm, daß er nicht auch einen Rat fürs Vergessen gewußt hatte - wenn die Freundschaft gebrochen und die Ehre tot und Treue eine Sünde und eine geheime schmachvolle Qual ist. Und nach dem Riß nichts anderes mehr übriggeblieben ist als die blutende Wunde, die nie heilen kann ...
Nachdem Erlend frei geworden war, hatte sich über Simon eine Art Ruhe gelegt - wohl nur deshalb, weil ein Mann es nicht erträgt, so viel Schweres zu erleiden, wie er in jener Zeit in Oslo erlitten hatte. Entweder geschieht etwas - oder es wird von selber besser.
Recht war es ihm nicht gewesen, daß
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