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Kristin Lavranstochter 2

Titel: Kristin Lavranstochter 2 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sigrid Undset
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Sohnesliebe liebtest. Und nie habe ich bemerkt, daß du Groll gegen mich hegtest, weil du - mir meine Braut entführtest. Ich bin nicht so hochgesinnt, wie du glaubst, Erlend - ich bin nicht so hochgesinnt wie du - ich - ich hege Groll gegen den Mann, dem ich ein Unrecht zugefügt habe . .."
    Vor lauter Spannung überzogen sich seine Wangen mit blassen Flecken, und so starrte er dem anderen in die Augen. Erlend hatte ihm mit halboffenem Mund zugehört.
    „Das merke ich heute zum erstenmal! - Hassest du mich, Simon?“ flüsterte er überwältigt.
    „Dünkt dich nicht, ich hätte Ursache dazu?“
    Unwillkürlich hatten beide Männer ihre Pferde zum Stehen gebracht. Sie saßen im Sattel und starrten einander ins Gesicht: Simons kleine Augen blitzten wie Stahl. In der nebligweißen Nachtbeleuchtung sah er Erlends schmale Gesichtszüge arbeiten, als bräche etwas in ihm auf - es war wie ein Erwachen. Unter halb niedergeschlagenen Augenlidern blickte er auf, biß sich in die zitternde Unterlippe.
    „Ich vermag nicht mehr mit dir zusammen zu sein!“
    „Mann! - Zwanzig Jahre sind darüber vergangen“, rief Erlend aus, überwältigt und verwirrt.
    „Ja. Dünkt dich nicht - sie - sei es wert, zwanzig Jahre lang ihrer zu gedenken ?“
    Erlend richtete sich im Sattel auf - begegnete Simons Blick voll und fest. Das Mondlicht entzündete in seinen großen hellen Augen einen blaugrünen Funken.
    „Doch. Gott - Gott segne sie!“
    Einen Augenblick saß er so da. Dann gab er seinem Pferd die Sporen und jagte durch die Pfütze, so daß das Wasser hinter ihm aufspritzte. Simon hielt seinen Gaul Digerbein zurück - er wäre beinahe abgeworfen worden, so jäh riß er am Zügel. Er wartete am Waldrand, ritt mit dem ungeduldigen Tier so lange hin und her, wie er die Hufschläge auf dem versulzten Weg noch vernehmen konnte.
    Die Reue übermannte ihn, gleich nachdem er gesprochen hatte. Er schämte sich und er bereute, als habe er das Wehrloseste geschlagen - ein Kind - oder ein feines und sanftmütiges, unverständiges Tier - in sinnlosem Zorn. Er empfand seinen Haß wie eine zersplitterte Lanze; er selbst war durch den Zusammenstoß mit der unverständigen Unschuld dieses Mannes zersplittert - so wenig begriff dieser Unglücksvogel Erlend Nikulaussohn von allem, daß es schien, als sei er sowohl hilflos als auch unschuldig.
    Er schwor und fluchte im Weiterreiten halblaut vor sich hin. Unschuldig - der Mann war weit über die Vierzig hinaus, er mußte es jetzt bald ertragen können, daß man mit ihm wie ein Mann zum anderen sprach. Hatte er sich selbst verwundet, nun, so mochte er dies, der Teufel sollte ihn holen, billig einschätzen, wenn er nur auch Erlend einmal getroffen hatte.
    Jetzt ritt er heim zu ihr - Gott segne sie, er schnitt ein Gesicht. Und jetzt hatte es ein Ende, und man brauchte sich nicht mehr zu plagen mit dieser Geschwisterliebe - zwischen den beiden dort drüben und ihm und den Seinen. Es blieb ihm erspart, mit Kristin Lavranstochter wieder zusammenzutreffen ...
    Der Gedanke raubte ihm den Atem. Gleichviel, zum Teufel auch! Ärgert dich dein Auge, so reiß es aus, sagten die Priester. Am liebsten hätte er das getan, dachte er bei sich, um dieser Geschwister- und Bruderliebe mit Kristin zu entgehen - er konnte nicht mehr... Einen einzigen Wunsch hatte er jetzt -daß Ramborg nicht wach werden möchte, wenn er heimkäme.
    Aber als er zwischen den Zäunen zum Hofplatz ritt, sah er jemand im dunklen Umhang unter den Espen stehen. Ihr Kopftuch leuchtete weiß.
    Sie hätte schon die ganze Zeit dagestanden und gewartet, sagte sie, seitdem Sigurd heimgekommen sei. Die Mägde lagen schon zu Bett, und Ramborg schöpfte selbst einen Teller Grütze aus dem Topf, den sie in der Ofenöffnung warm gehalten hatte, stellte Speck und Brot auf den Tisch und holte frisch eingeschenktes Bier.
    „Willst du dich jetzt nicht schlafen legen, Ramborg?“ fragte Simon, während er aß.
    Ramborg antwortete nicht. Sie ging zu ihrem Webstuhl und begann die kleinen bunten Knäuel zwischen den Fäden hin und her zu werfen. Sie hatte schon vor Weihnachten einen Bilderteppich aufgesetzt, war aber noch nicht weit damit gekommen.
    „Erlend ritt vor einer Weile talaufwärts“, sagte sie und wandte ihm dabei den Rücken zu. „Ich glaubte, nach dem, was Sigurd mir erzählt hat, daß ihr miteinander kommen würdet.“ „Nein - es traf sich nicht so ..."
    „Sehnte Erlend sich mehr heim nach seinem Bett als du?“ Sie lachte ein wenig. Als sie

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