Kristin Lavranstochter 2
Mädchen, so wie du wärst, sollte auch mein Mann einmal sein. Erinnerst du dich, wir beide, Ulvhild und ich, durften dich einmal führen, du solltest mit Vater auf die Weide hinausgehen und seine Fohlen anschauen - Ulvhild trugst du über den Bach, und mich wollte der Vater auf-lieben, aber ich schrie, daß du auch mich tragen solltest. Erinnerst du dich?“
Simon nickte. Er erinnerte sich wohl, daß er sich viel mit Ulvhild abgegeben hatte, denn es tat ihm so leid um das holde Kind, das so gebrechlich war. Von der jüngsten Schwester war ihm keine Erinnerung geblieben oder nicht mehr, als daß es noch ein zweites Kind gab, das jünger war als Ulvhild.
„Du hattest das schönste Haar.“ Sie vergrub ihre Finger in dem hellbraunen gewellten Schopf, der Simon ein wenig über die Stirn fiel. „Du hast noch nicht ein graues Haar - du - Erlend hat schon beinahe ebenso viele weiße wie schwarze Haare. -Und dann konnte ich es so gut leiden, daß du tiefe Grübchen in deinen Wangen bekamst, wenn du lächeltest - und daß du immer so heiter warst..."
„Ja, damals sah ich wohl ein wenig besser aus als heute ...“ „Nein“, flüsterte sie heftig, „wenn du mich sanft ansiehst... Weißt du noch das erstemal, da ich in deinem Arm schlief? Ich lag da, hatte Zahnschmerzen und jammerte - Vater und Mutter schliefen, es war dunkel im Dachraum, aber du kamst zu der Bank her, auf der wir lagen, Ulvhild und ich, und fragtest, weshalb ich weinte. Du batest mich, ich solle still sein und die anderen nicht wecken, und dann nahmst du mich in deine Arme auf, machtest Licht, schnitztest einen Span zurecht und stachst mich in das Fleisch rings um den kranken Zahn, bis Blut kam. Dann sagtest du einen Spruch über dem Span, und dann tat mir nichts mehr weh, und ich durfte bei dir im Bett schlafen, und du hieltest mich in deinem Arm ...“
Simon legte seine Hand auf ihren Kopf, preßte ihn an seine
Schulter. Jetzt, da sie es erzählte, erinnerte er sich: es war damals gewesen, als er nach Jörundhof gekommen war und Lavrans gesagt hatte, daß das Band zwischen ihm und Kristin besser wieder gelöst würde. Er hatte wenig geschlafen in jener Nacht - und jetzt entsann er sich, daß er einmal aufgestanden war und sich der kleinen Ramborg angenommen hatte, die, von Zahnweh geplagt, dalag und jammerte.
„Bin ich je so zu dir gewesen, meine Ramborg - daß du ein Recht zu haben glaubst, zu sagen, ich hätte dich nicht lieb?“ „Simon - dünkt dich nicht, ich könnte es wert sein, daß du mich mehr liebtest als Kristin? Böse und falsch war sie gegen dich - ich bin in allen diesen Jahren wie ein kleiner Schoßhund hinter dir hergelaufen ..."
Simon stellte sie vorsichtig zur Erde, erhob sich und nahm ihre Hände in die seinen.
„Sprich jetzt nicht mehr von deiner Schwester, Ramborg - auf diese Art. Ich weiß nicht, ob du selbst ahnst, was du sagst. Denkst du denn nicht daran, daß ich Gott fürchte - kannst du denn von mir glauben, daß ich sowenig vor der Schmach und der allerärgsten Sünde zurückschrecke oder daß ich mich nicht auf meine Kinder und alle meine Verwandten und Freunde besinnen würde? Ich bin doch dein Mann, Ramborg, vergiß das nicht, und sprich nicht so zu mir.“
„Ich weiß, du hast Gottes Gesetze oder Recht und Ehre nicht verletzt...“
„Niemals habe ich deiner Schwester ein Wort gesagt oder sie mit meiner Hand anders berührt, als daß ich es am Jüngsten Tag verantworten könnte - das kann ich vor Gott und seinem Apostel Sankt Simon bezeugen.“
Ramborg nickte schweigend.
„Glaubst du, deine Schwester wäre mir so begegnet, wie sie es in all den Jahren getan hat, wenn sie so dächte wie du - daß ich sie in sündigem Begehren liebe? Dann kennst du Kristin nicht.“
„Oh, sie hat niemals daran gedacht, ob irgendein anderer Mann als nur Erlend sie begehrt. Sie fühlte es doch kaum, daß wir Fleisch und Blut sind, auch wir ...“
„Nein, das ist wohl wahr gesprochen, Ramborg“, sagte Simon ruhig. „Dann aber kannst du wohl selber begreifen, wie unsinnig es ist, daß du mich mit Eifersucht plagst.“
Ramborg zog ihre Hand an sich.
„So meinte ich es auch nicht, Simon. Aber so hast du mich noch nie geliebt, wie du sie liebtest. Immer noch lebt sie stets in deinen Gedanken - an mich denkst du nur wenig, wenn du mich nicht siehst.“
„Dafür kann ich nichts, Ramborg, daß das Herz eines Mannes so beschaffen ist und daß das, was darauf geschrieben wird, solange es jung und frisch ist, tiefer
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