Kristin Lavranstochter 2
ihren Mann gegen Erlend aufgehetzt hatte, mit oder ohne Absicht..,
Immerhin kam Ramborg stets herbei und begrüßte ihre Schwester, wenn sie einander bei der Kirche trafen. Ulvhild fragte laut, warum denn die Muhme nicht mehr zu ihnen käme, dann lief sie zu Erlend hin, hängte sich an ihn und die ältesten Söhne. Arngjerd stand still an der Seite ihrer Stiefmutter, gab Kristin die Hand und sah verlegen aus. Simon und Erlend und dessen Söhne mieden einander, soviel sie konnten.
Kristin vermißte auch die Kinder der Schwester sehr. Sie hatte die beiden Mädchen liebgewonnen. Und eines Tages, als Ramborg ihren Sohn mit in die Messe genommen hatte und Kristin Andres nach dem Gottesdienst küßte, brach sie in Tränen aus. Sie hatte diesen zarten schmächtigen Knaben so lieb -und da sie nun selbst keine ganz kleinen Kinder mehr besaß, hatte sie nicht anders gekonnt, sondern es wie einen Trost empfunden, daß sie sich mit diesem kleinen Schwestersohn auf Formo hatte abgeben und ihn verwöhnen dürfen, wenn die Eltern ihn mit nach Jörundhof brachten.
Von Gaute erfuhr sie ein wenig mehr über die Sache, denn er
erzählte ihr, welche Worte zwischen Erlend und Simon gefallen waren, als sie in jener Nacht einander bei der Hütte der Bettfell-Gudrun getroffen hatten. Je mehr sie über diese Dinge nachdachte, desto mehr dünkte sie, daß Erlend tief unrecht habe. Sie war auf Simon erbittert gewesen; so weit hätte er seinen Schwager doch kennen müssen, um zu wissen, daß Erlend seinen Bruder nicht auf unadelige Weise verraten und betrogen hatte - wieviel Merkwürdiges er auch aus Gedankenlosigkeit und Heftigkeit tun konnte; wenn er dann sah, was er angerichtet hatte, so gebärdete er sich oft fast wie ein scheuer Hengst, der sich losgerissen hat und nun wild wird vor Schrecken über das, was er hinter sich herschleppt.
Wie konnte nur Erlend auch nie begreifen, daß andere Menschen bisweilen ihren Vorteil wahrnehmen mußten, und zwar gerade entgegengesetzt dem Unheil, das anzurichten er eine so seltene Gabe besaß. Da achtete Erlend nicht darauf, was er sagte oder wie er sich betrug. Sie wußte noch von sich selbst, aus der Zeit, da ihr Gemüt noch jung und weich war - immer und immer wieder hatte sie das Gefühl gehabt, er trete mit seinem unbedachten Vorgehen auf ihrem Herzen herum. Von seinem eigenen Bruder hatte er sich getrennt - noch bevor Gunnulv ins Kloster ging hatte der Bruder sich von ihnen zurückgezogen, und sie hatte begriffen, daß dies Erlends Schuld war; er hatte seinen frommen und würdigen Bruder allzuoft gekränkt, obgleich Gunnulv ihm nie anderes als Gutes zugefügt hatte, soweit sie es verstehen konnte. Und jetzt hatte er Simon von sich gestoßen, und wenn sie wissen wollte, was die Feindschaft zwischen ihm und ihrer beider einzigem Freund hervorgerufen hatte, so setzte er nur eine hochmütige Miene auf und antwortete, dies könne er ihr nicht sagen .. .
Naakkve hatte er mehr davon erzählt, das begriff sie.
Die Mutter fühlte sich gekränkt und unruhig, wenn sie merkte, daß Erlend und der älteste Sohn verstummten oder das Gespräch auf einen anderen Gegenstand brachten, sobald sie zu ihnen trat, und dies geschah nicht selten.
Sowohl Gaute als auch Lavrans und Munan hielten sich mehr zur Mutter, als Nikulaus jemals getan hatte, und sie hatte immer mehr mit ihnen als mit ihm gesprochen. Trotzdem aber dünkte es sie stets, der Erstgeborene stünde ihrem Herzen in gewisser Weise näher als alle anderen Kinder. Und seit sie nun wieder auf Jörundhof wohnte, waren die Erinnerungen an jene Zeit, da sie diesen Sohn unterm Herzen trug, und an seine Geburt seltsam lebendig und wach geworden. Denn sie mußte es auf vielerlei Arten merken, daß hier in Sil die Leute ihre Jugendsünde nicht vergessen hatten. Es war fast, als seien alle der Meinung, daß sie die Ehre des Heimattales befleckt habe, indem sie, die Tochter jenes Mannes, den hier alle als ihren Vornehmsten betrachteten, auf Abwege geraten war. Sie hatten dies nicht verziehen und auch das nicht, daß sie und Erlend zu aller Sorge und Schmach ihres Vaters auch noch Spott hinzugefügt hatten, indem sie ihn dazu verleiteten, einer verführten Jungfrau die prächtigste Hochzeit auszurichten, die hier im nördlichen Tal je im Gedächtnis eines Mannes lebte.
Kristin wußte nicht, ob Erlend fühlte, daß die Leute diese alten Geschichten wieder aufwärmten. Aber selbst wenn er es fühlte, so war er wohl gleichgültig dagegen. Ihre Nachbarn im Tal
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