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Kristin Lavranstochter 2

Titel: Kristin Lavranstochter 2 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sigrid Undset
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zählte er wohl nur alle miteinander zu Friesbauern und Häuslern - und er lehrte ihre Söhne, ebenso zu denken. Ihr brannte es in der Seele, daß diese Menschen, die ihr so freundlich und wohlwollend gesinnt gewesen waren, in jener Zeit, da sie Lavrans Björgulvssohns schöne Tochter, die Rose des Nordtals hieß, daß diese Menschen nun Erlend Nikulaussohn und sein Weib geringschätzten und hart über sie urteilten. Sie bettelte nicht um ihre Gunst, sie weinte nicht darüber, daß sie eine Fremde unter ihnen geworden war. Aber es tat weh. Und es dünkte sie nun, daß selbst die schroffen Bergseiten rings um das Tal, die ihre Kindheit beschützt hatten, jetzt anders auf sie und ihr Heim herabblickten - schwarz von Drohungen und steingrau von hartem Willen, sie in die Knie zu zwingen.
    Und einmal hatte sie bitterlich geweint - Erlend hatte darum gewußt und hatte nicht lange Geduld mit ihr gehabt. Als er erkannte, daß sie in den vielen Monaten einsam gewesen war, mit der schweren Last seines Kindes unter ihrem angstvollen, kummervollen Herzen, da hatte er sie nicht in seine Arme genommen und sie mit sanften und liebevollen Worten getröstet. Erbittert und beschämt war er gewesen, als er sah, daß es nun an den Tag kam, wie unehrenhaft er gegen Lavrans gehandelt hatte - aber er hatte nicht daran gedacht, daß es doch für sie noch viel schwerer sein müßte, jenen Tag zu erleben, an dem sie beschämt vor ihrem stolzen und liebevollen Vater stehen mußte.
    Und ebensowenig hatte Erlend seinen Sohn mit allzu großer Freude begrüßt, als sie endlich dieses Kind zu Licht und Leben geboren hatte. In jenem Augenblick, da sie aus endloser Seelenangst und aus Grauen und Qualen erlöst wurde und sie ihre häßliche unförmige Sündenlast unter den starken Gebeten des Priesters lebendig werden sah, sah, wie sie zum lieblichsten, gesunden Kind wurde - da hatte sie die Empfindung gehabt, als schmelze ihr Herz in demütiger Freude dahin, und selbst das heiße trotzige Blut in ihrem Leib verwandelte sich in süße und weiße und unschuldige Milch. Ja, mit Gottes Hilfe wird er wohl ein Mensch werden, sagte Erlend, als sie dort im Bett lag und wollte, daß auch er sich mit ihr über diese herrliche Kostbarkeit freue, die sie kaum aus den Armen lassen wollte, wenn auch nur für die kurze Zeit, in der die Frauen das Kind versorgten. Seine Kinder mit Eline Ormstochter, die liebte er, das hatte sie gesehen und auch gefühlt. Aber wenn sie Naakkve zum Vater brachte und ihm den Sohn in die Arme legen wollte, rümpfte Erlend die Nase und fragte, was er denn mit diesem Kind anfangen solle, das oben und unten leck sei. Jahrelang betrachtete Erlend seinen ältesten ehelichen Sohn mit unwilligen Blicken, konnte nicht vergessen, daß Naakkve zur Unrechten Zeit zur Welt gekommen war, obgleich der Knabe ein so schönes und freundliches und vielversprechendes Kind war, daß jeder Vater sich hätte freuen müssen, einen solchen Sohn als Nachkommen heranwachsen zu sehen.
    Und Naakkve hatte seinen Vater so geliebt, daß es ganz seltsam anzusehen war - von allem Anfang an, da er noch winzig klein war. Wie die Sonne strahlte sein ganzes kleines liebliches Gesicht, wenn der Vater ihn für einen Augenblick zwischen die Knie nahm und zwei Worte zu ihm sprach oder wenn er auf dem Weg über den Hofplatz die Hand des Vaters halten durfte. Unverdrossen hatte Naakkve um die Gunst des Vater geworben, zu jener Zeit, da Erlend alle seine anderen Kinder lieber hatte als dieses eine. Björgulv war der Liebling seines Vaters gewesen, solange die Knaben klein waren, und damals hatte Erlend die kleinen Burschen manchmal mit in die Waffenkammer hinaufgenommen - dort wurden alle Rüstungen und Waffen aufgehoben, die man nicht täglich auf Husaby brauchte. Und während der Vater mit Björgulv redete und scherzte, saß Naakkve ganz still auf einer Truhe und schnaufte vor lauter Wohlbehagen, weil er mit hiersein durfte.
    Aber im Lauf der Zeit und als Björgulv sich wegen seiner schlechten Augen nicht so gut wie die anderen Söhne draußen mit Erlend herumtreiben konnte und auch verschlossen und wortkarg gegen den Vater wurde, trat hierin eine Änderung ein. Jetzt schien Erlend beinahe ein wenig Scheu vor diesem Sohn zu empfinden. Kristin fragte sich, ob Björgulv seinem Vater im Innern Vorwürfe mache, weil er ihr Wohlergehen verscherzt und die Zukunft der Söhne in seinem Sturz mit sich gerissen hatte - und sie fragte sich auch, ob Erlend dies wußte oder ahnte. Wie dem

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