Kroenung der Liebe
Richtung Empfang verschwand, presste Allegra die Handflächen gegen ihre heißen Wangen, atmete tief durch und fühlte sich geradezu lächerlich erleichtert. Sie hatte mit erhobenen Brauen oder einer gerunzelten Stirn gerechnet – wie so häufig, wenn sie ihren Familiennamen preisgab. Er tauchte nämlich regelmäßig in den Schlagzeilen der Yellow Press auf. Und obwohl sie nie persönlich in die Skandalgeschichten um ihre Angehörigen verwickelt war, steckte man sie für gewöhnlich in die gleiche Schublade.
„Sind Sie nicht Bobby Jacksons Tochter?“ Allegra wusste längst nicht mehr, wie oft man sie bereits mit dieser lästigen Frage konfrontiert hatte.
Alex trug ihren Namen in die Gästespalte ein und schüttelte dabei über sich selbst den Kopf. Fast hätte er seine Identität preisgegeben. Die war zwar kein Geheimnis, aber hier in London trat er gemeinhin als Alex Santina, Geschäftsmann, auf und nicht unter seinem offiziellen Titel Seine Königliche Hoheit, Kronprinz Alessandro von Santina.
Dass er ihm fast entschlüpft war, lag wahrscheinlich daran, dass er gerade sehr eindringlich über Santina und die ärgerliche Diskussion mit seinem Vater, König Eduardo, nachgedacht hatte. Außerdem fühlte er sich müde und ausgelaugt, was ihm völlig fremd war. Doch in letzter Zeit, und besonders heute in der Trauerkapelle, fühlte er sich wie unter einer erstickenden, düsteren Decke gefangen, die ihm die Luft zum Atmen nahm.
Nachdem er Miss Jackson eingetragen hatte, kehrte er zu seinem Gast zurück. Da er Allegra die Bar hatte betreten sehen, konnte er den Fehler der Kellnerin durchaus nachvollziehen. So selbstverständlich, wie sie ihren Mantel gleich an die Garderobe gehängt und sich nach einem kurzen Rundumblick für den Alkoven entschieden hatte, schien sie hier zu Hause und am richtigen Platz zu sein. Kein Wunder, dass die Bedienung sie für ein Mitglied hielt.
Er saß schon wieder, da entschied Alex sich anders, stand noch einmal auf und streifte sein Jackett ab. Die Kellnerin überschlug sich fast, um rechtzeitig zur Stelle zu sein, es ihm abzunehmen und auf den freien Stuhl neben ihm zu legen. Wie Allegra für sich vermerkte, erhielt die hübsche Brünette dafür weder ein Lächeln noch einen Dank.
Auch hatte Alex, wie sie ihn inzwischen in Gedanken nannte, keinen Blick für die aufmerksame Frauenrunde übrig, die in angespanntes Schweigen verfallen war, als er sich seiner Jacke entledigt hatte.
Erneut wehte Allegra sein frischer, verführerischer Duft entgegen.
Verführerisch? Was für ein unsinniger Gedanke! Und warum ihr Puls angesichts der schlanken, bronzefarbenen Finger, die sich um den Stiel des Champagnerglases schlossen, emporschnellte, konnte sie sich noch weniger erklären. Vielleicht lag das auch an dem ungewohnten Alkohol, oder dieser dunkle Adonis wusste sehr genau, was er tun musste, um sie zu verwirren. Allerdings lag keine Spur des anziehenden Lächelns auf den herben, gut geschnittenen Lippen, und jetzt wanderten die Mundwinkel sogar noch ein Stück tiefer …
„Tut mir leid“, murmelte Alex, der ihre wachsende Unruhe falsch interpretierte. „Ich bin heute kein guter Gesellschafter. Der Tag war doch härter als erwartet.“
„Jemand, der Ihnen nahestand?“, fragte Allegra höflich, da sie inzwischen sicher war, dass er von einer Beerdigung kam.
„Nicht wirklich …“ Er zögerte kurz. „Einer meiner Angestellten, dessen Pensionierung wir erst letzte Woche gefeiert haben.“
„Das tut mir leid.“
„Was tut Ihnen leid?“
„Na, was Sie gerade erzählt haben.“ Seine seltsame Angewohnheit, jedes Wort auf die Goldwaage zu legen, irritierte sie zunehmend.
„Er war kein Freund oder so.“ Alex trank noch einen Schluck Champagner. „Eigentlich kannte ich ihn so gut wie gar nicht, deshalb muss Ihnen nichts leidtun.“
„Dann eben nicht!“ Gereizt blies sich Allegra eine vorwitzige Ponyfranse aus der Stirn. „Ehrlich gesagt ist es mir auch egal, warum Sie so schlecht drauf sind. Fest steht, dass nach einer Beerdigung kaum jemandem zum Lachen zumute ist, also …“
„Beerdigungen machen mir nichts aus“, unterbrach er sie tonlos. „Und ich habe schon etliche erlebt, das können Sie mir glauben.“
Allegra kniff die Lippen zusammen. Noch einmal würde sie ihn nicht bedauern!
Nach einer Pause, die langsam lastend wurde, schaute Alex von seinem Glas auf. „Und, wie lautet Ihre Entschuldigung für den desolaten Zustand, in dem Sie sich befinden? Oder gehört
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