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Krokodil im Nacken

Krokodil im Nacken

Titel: Krokodil im Nacken Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Klaus Kordon
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Ausbeutergesellschaft sich nicht damit ab, einer neuen, besseren und gerechteren Weltordnung Platz machen zu müssen. Dafür würden die aggressiv drohenden amerikanischen Panzer an der Staatsgrenze zur DDR ein beredtes Zeugnis ablegen. »Das Alte, so haben wir Arbeiter es in jahrzehntelangen Klassenkämpfen erfahren müssen, wird sich stets mit Zähnen und Klauen gegen das Neue und damit gegen den Lauf der Weltgeschichte wehren. Das, liebe Genossinnen und Genossen, liebe Kolleginnen und Kollegen, liebe Jugendfreunde, dürfen wir nie vergessen.«
    Beifall setzte ein, einige klatschten übertrieben laut, andere nur müde.
    Kader-Willi stand auf. »Liebe Kolleginnen und Kollegen, liebe Genossinnen und Genossen, liebe Jugendfreunde! Es gibt einige Unbelehrbare unter uns. Wir wissen das! Aber wir werden nicht aufgeben, um sie zu kämpfen. Wir wollen nicht, dass sie auf die verlogenen Versprechungen der Bonner Politiker hereinfallen.«
    Er machte eine Pause, blickte zu Pius hin und fuhr fort, der Kollege Pabst habe zu bedenken gegeben, dass der verstärkte Grenzschutz die Planerfüllung schwieriger machen könnte. »Das, Kollege Pabst, ist eine Befürchtung, die ich nicht teile. Warum nicht? Weil ich unsere fleißigen Kolleginnen und Kollegen kenne. Da wird eben für den Kollegen, der an der Grenze seinen Dienst tut, mitgearbeitet. Jawohl! Es ist ja nur für eine Übergangszeit und der Kollege an der Grenze steht für uns alle auf Wacht – da wird dann eben mit doppelter Energie zugepackt. Wäre doch gelacht, wenn wir das nicht schaffen würden, oder?« Wieder machte er eine Pause, um den Beifall abzuwarten; als erneut keiner kam, sagte er ungeduldig: »Liebe Kolleginnen und Kollegen, der Schutz der Staatsgrenze hat nun einmal Priorität. Wenn wir uns nicht schützen, können wir nicht in Ruhe arbeiten.«
    Pius, laut: »Weil so viele abhauen?«
    Verärgertes Gemurmel am Tisch der Verantwortungsträger und auch Kader-Willi blickte ein Weilchen verstört. Dann aber hatte er sich gesammelt: »Ja, Kollege Pabst, leider gibt es immer noch Fehlgeleitete, die versuchen, mit allen möglichen kriminellen Mitteln und Methoden die Staatsgrenze der DDR zu durchbrechen. Sie laufen geradewegs in den menschenfeindlichen Sumpf, der sie verschlingen wird. Wir könnten sie laufen lassen, liebe Kolleginnen und Kollegen. Natürlich! Sollen sie doch in ihr Unglück rennen, wenn sie unbedingt wollen, könnten wir sagen. Aber so denken wir nicht. Nein! Weil wir Humanisten sind! Wir – wollen – unsre – Menschen – schützen! Sollen denn diejenigen unter uns, die aus Dummheit oder Naivität der westlichen Rundfunk- und Fernsehpropaganda auf den Leim gegangen sind, von gewissenlosen Subjekten um ihr Lebensglück betrogen werden? Sollen, ja, dürfen wir das zulassen? Ich sage nein, und ich weiß, die Mehrheit unseres Volkes denkt genauso.«
    Schwer atmend, aber zufrieden setzte er sich. Natopil, Koslowski und Brenner klatschten ihm heftig zu, Knolle stand auf. »Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich will nicht viele Worte machen. Wurde ja schon alles gesagt. Ich will nur noch eines zu bedenken geben: Die Ausbeutung des Menschen durch den Menschen ist nicht beendet, wenn jeder ein Auto fährt oder einen Fernseher besitzt – sie hat in solchen Fällen nur ein höheres Niveau erreicht. Warum? Weil sie ja gar nicht anders können, die Herren Kapitalisten, als den für sie Schuftenden ein paar Körner hinzustreuen. Schließlich gibt es uns, die sozialistische DDR. Sie sehen unser Erstarken mit Sorge. Also: Hier hast du ein Auto, hier einen Fernseher. Dass du das Krankenhaus nicht bezahlen kannst, vergisst du dann vielleicht. Dass du deine Kinder nicht studieren lassen kannst, weil dir dazu das nötige Geld fehlt, auch. Sitz nur vor dem Fernseher und erfreue dich an all dem bunten Lug und Trug, den wir dir unterjubeln! In unserer DDR – das wissen wir alle – werden auch PKWs und Fernseher hergestellt. Fernseher haben inzwischen schon viele, eines Tages wird auch jeder seinen eigenen PKW besitzen. Aber was viel wichtiger ist: Bei uns ist die Krankenversorgung gewährleistet, und jeder, der will, kann studieren.«
    Breites Grinsen überall, eine leise Stimme: »Von wegen jeder, der will! Der denkt wohl, wir sind hier nur zu Besuch.«
    Knolle: »Das alles solltet ihr bedenken, liebe Kolleginnen und Kollegen, wenn ihr nun darüber beratschlagt, was wir zur Sicherung unserer Staatsgrenze und zur Stärkung unseres Arbeiter- und Bauernstaates beitragen

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