Kronhardt
Schlosser wollten sie wissen, wie es um die Zukunft stand. Wie das Wetter würde oder ob er schon mal fliegende Untertassen gesehen hätte. Die Bauern lachten, tranken, doch zuletzt ging es nicht in ihre dicken Schädel, daà man Zeit damit verschwenden konnte, durch so ein Rohr zu kucken. Stadtmenschen blieben ihnen verdächtig: Sie kümmerten sich um nichts und schöpften immer aus dem vollen, sie hatten die einfachsten Dinge verlernt und wuÃten doch alles besser. Da waren sich die Bauern einig, und die Käppis gingen rauf und runter, als hätten die fetten Brägen darunter ein Weltenrätsel gelöst. Und sie bestellten eine neue Runde.
Die dicke Helga hatte eine muntere Art. Sie war schlagfertig und wuÃte die Bauern zu nehmen. So kam sie mit frischem Tablett vom Tresen â ihr gefielen die Stadtmenschen, rief sie. Wenn die nicht die Hände frei hätten, würden die Bauern noch immer mit Ochsen und Dreschflegel arbeiten. Und hätten keine Minute mehr, bei ihr im Krug zu sitzen, um über die andern zu lästern. Ja verdammt, rief sie, ohne die Stadtmenschen müÃt ich am Ende noch einen von euch Kerlen heiraten. Die Kerle lachten, und als Helga servierte, beugte sie sich extra tief.
Als die Bauern gegangen waren, sperrte sie ab und setzte sich zu den Jungs. Helga trug eine Bluse mit Puffärmeln, Schürze und Puschen. Sie war weich, helles Fleisch, das schnell schwitzte. Ihr Haar war blond und aufgebauscht. Sie goà sich einen Sherry ein, und unter den Achseln hatte sie dunkle Flecken. Willem sah, wie sich ihre dicken Lippen gegen das Glas stülpten; dann sah er ihren Apfel springen, dann die tiefe Furche zwischen den Brüsten. Als sie das Glas abstellte, seufzte sie.
Später halfen die Jungs beim Aufräumen, und Willem gefiel es, wenn Helga sich bückte oder ein Servierbrett stemmte. Manchmal meinte er, daà sie seine Blicke noch provozierte; sie kam ihm extra nah, ihre warme Haut strömte, und sie stellte pikante Fragen. Doch zuletzt räumte sie mit ihrem Humor alle Zweideutigkeit aus, und alle drei lachten herzlich.
Sie saÃen noch bis tief in die Nacht. LieÃen die Musikbox laufen und spielten Mau-Mau.
Der Sommer hielt sich lange; die Sonne ging auf gegen sechs, stand mittags im Zenit, und gegen 18 Uhr ging sie unter. Tags brachen ihre warmen Strahlen reife Düfte aus dem Boden, und in der Brise wogten die Spinnennetze. Mit der Dämmerung stieg Feuchtigkeit und trug erdige, herbe Gerüche auf. Am nächsten Morgen zerstreuten die ersten Strahlen im Tau der Blätter, die Bäume standen rot in den Himmel, und dann brachen wieder die Düfte in den Tag. So drehte sich die Erde, und auf ihrer Bahn kreuzte sie einen Schwarm mit Meteoriten, und die Jungs lagen auf der Wurt und gaben Hanf in den Knaster.
Grillen stridulierten, und dazwischen unregelmäÃige Rufe, quak oder quok, mal von dieser, mal von einer anderen Seite. Quak oder quok, und sie wuÃten nicht, ob es Frösche waren oder Nachtreiher. Und wenn über ihnen eine Sternschnuppe verglühte und das Streiflicht in der Atmosphäre stand, wuÃten sie genausowenig. Stets konnte es für die Phänomene ringsherum auch andere Erklärungen geben. Ãberall konnte die Ursache zu einer Wirklichkeit liegen, die nirgends Anspruch auf Endgültigkeit erhob, und so verschmierten den Jungs auf der Wurt alle Erklärungen; alles Warum und Wozu, das ein Geschehen einordnen wollte; aller Zwang nach Sinn, und noch die Sprache selbst, meinten sie, jedes Wort, könne sich in den Köpfen in einen enormen Zerrspiegel verwandeln, so daà die Menschheit womöglich seit Jahrtausenden an allem vorbeiredete.
So fielen die Schnuppen, und die Jungs hatten keine Ahnung, ob es sich tatsächlich um eisige Vagabunden handelte, die von der Erde angezogen wurden und in ihrer Atmosphäre verglühten. Sie rauchten den Knaster, es quakte oder quokte, und irgendwann erschien ein glühender Schauer über der Marsch â langgezogene Streifen, die rötlich aus der Nacht fielen, und zuletzt blieb über ihnen eine Feuerkugel stehen, deren leuchtende Spur in den Höhenwinden zu verwirbeln schien.
In dieser Nacht kamen sie spät in den Ochsenkrug.
Die Brauereischilder waren erloschen, der Schankraum im Halbdunkel. Auf ein Klopfzeichen hin öffnete die dicke Helga, und als sie wieder abschloÃ, sahen die Jungs, daà noch jemand da war. Irene, sagte Helga,
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