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Kronhardt

Titel: Kronhardt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ralph Dohrmann
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dagegen tun zu können. Sie stand einfach da und zog ihn an. Löste mühelos alle Entfernung auf.
    Die Freitagstouren in den Ochsenkrug wurden zur Regel. Anfangs mergelte Willem aus, er bekam Ringe unter den Augen und verlor unter der Woche jedes Interesse an Masturbation. Auf dem Schulhof kursierte, daß der Verlust von einer Unze Samen gleichzusetzen war mit dem Verlust von vierzig Unzen Blut, und wenn Willem sich im Spiegel betrachtete, schien er von Mal zu Mal bleicher. Er machte sich Sorgen, daß die Mutter eine Verbindung zu den Freitagstouren herstellte, und im großen Hausschatz der Heilkunde fand er unter Bleichsucht den Rat zu Eisenpräparaten und ausgewogener, nicht zu schmaler Kost. Er besorgte Tabletten und gewöhnte sich Zwischenmahlzeiten an – blutbildende Maßnahmen, und tatsächlich verschwanden die Ringe, und sein Gesicht wurde etwas feister.
    So schien Willem alles im Griff zu haben. Einmal in der Woche gings über Land auf die Wurt und dann zu Irene. Und Irene war für alles zu haben: coitus a tergo, genito-oral oder spanisch. Sie grunzte, muhte oder bockte auf wie ein Käfer. Sie legte die Beine über den Kopf, und sie schwang sich rittlings. Und Willem war zärtlich, als wäre sie neugeboren; und er kam sich hart vor wie ein Lude. Er brachte ihre Bauchdecke zum Flimmern, er wußte, wo er wunderbares Tremolo anschlagen konnte oder wo Weichheit sich in Schwellung verwandeln ließ. Und er fand es erstaunlich, wie häufig Irene Spannung aufbauen, halten und dann in unglaublicher Art ausstoßen konnte. Manchmal erschien ihm die Heftigkeit ihrer Reaktion wie ein Anfall, doch bald lernte er, diese Spannung zu steuern; eine Flüchtigkeit etwa in die Länge zu ziehen, um dann urplötzlich in steile Rasanz zu verfallen. Bald konnte er aus dem Zustand ihres Speichels Schlüsse ziehen oder die Duftigkeit aus ihren Drüsen unterscheiden, und manchmal legte er es darauf an, daß ihr die Augäpfel in die Stirn wegrollten.
    Und Irene selber konnte sich noch über seinen brachliegenden Körper hermachen – unglaublich, diese Frau, und für Willem ein Sprung in eine neue Dimension; ein schwereloser Fall in die Grenzwelten, Körper und Geist zurückgeschlagen ins Tier, flirrende Teilchen im Universum.
    Andere Mädchen interessierten ihn nicht mehr.
    Er taxierte sie und kam immer zum selben Ergebnis: daß er Zeit und Umwege investieren müßte – Worte und Getue, meinte er, und am Ende unterstellten sie einem noch Entartung, wenn man die eine oder andere Variation vorschlug. So aalte er sich in frischer Männlichkeit, und wenn sie am Elefanten von Liebe sprachen, konstruierte er aus dieser Liebe ein Massenprodukt, das von überall und ständig jeden einzelnen überströmte. Das noch die Seele der Weltgesellschaft erfaßte und bald massenhaft Dinge gleichschaltete, die mit Liebe nichts zu tun hatten: Cola oder Love & Peace, Religion oder Krieg, und aus ihrer Geschichte heraus unterstellte Willem den Menschen Unfähigkeit zu einem eigenen Glück, das sich aus sich selber heraus genügt. Unfähigkeit zu so einer Liebe, und er plädierte ganz rational für Sex. Kinderloser Sex, sagte er, und Körper und Geist aufgelöst in flirrende Teilchen.
    Rhetorisch ließ er sich kaum aushebeln. Doch im Grunde ahnte er, daß es die unrunde Philosophie eines Halbstarken war. Und wenn irgendwer am Elefanten behauptete, Liebe und Glück seien auch immer die Erfahrung des einzelnen, seit Jahrmillionen und immer wieder einzigartig, dann ahnte Willem, daß daran etwas Wahres sein konnte.
    So standen sie am Elefanten und diskutierten. Und Willem schien alles im Griff zu haben. Rhetorisch hielt er locker mit, er fühlte sich männlich, war gut unterfüttert, und einmal die Woche gings über Land und in die Marsch.
    Dann mußte er zu Doktor Blask, und der Arzt diagnostizierte Ulcus molle. Er verordnete eine Sulfonamidkur und drei Wochen strikte Enthaltsamkeit.
    Jawoll, Willem hatte Glück gehabt. Der Weiche Schanker war selten und in der Regel harmlos, und es war Ermessenssache des Arztes, ihn unter das Gesetz zur Bekämpfung der Geschlechtskrankheiten zu stellen. Er, Doktor Blask, halte es momentan nicht für notwendig, die Sache zu melden. Ihm reiche es, wenn Willem verspreche, besagtes Mädchen über den Umstand aufzuklären und über ihre Pflicht zu einer Kur.
    Wird sie es tun?
    Willem glaubte

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