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Kronhardt

Titel: Kronhardt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ralph Dohrmann
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schon.
    Keine übereifrigen Erzieher im Nacken?
    Willem glaubte nicht.
    Oder sprechen wir hier über ein Mädchen aus dem Etablissement?
    Willem wurde rot.
    Dann sähe die Sache etwas anders aus, und wir müßten baldowern.
    Baldowern ist nicht nötig.
    Und deine Erzieher?
    Wenn die Wind davon kriegen, machen sie mir die Hölle heiß.
    Ãœber das Mädchen kriegen sie keinen Wind?
    Nein.
    Na prima! Und Blask schlug auf den Schreibtisch.
    Dann sagte er: Ruckzuck ist die Plauze dick. Und dann wird dieser Schädel auf die Welt gepreßt. Riesig und hilflos und mit seiner nimmersatten Gier.
    Er lachte, und das Licht streute aus dem Stirnspiegel.
    Dann sagte er: Wie mans auch angeht, dieser Schädel bleibt unvermeidliches Thema, nichtwahr. Schon seine unvermeidliche Art, ständig zu thematisieren, und er lachte wieder. Etwas leiser sagte er: Stille ins Oberstübchen zu bringen ist eine der schwierigsten Übungen überhaupt. Und verkümmert mehr und mehr zur theoretischen Fähigkeit.
    Der Doktor sah Willem an. Kriegst du Stille in deinen Schädel?
    Manchmal schon.
    Wie stellst du das an?
    Willem überlegte. Wenn ich draußen bin, im Teufelsmoor oder in der Marsch. Manchmal sitze ich einfach nur da und denke nicht. Aber das fällt mir erst auf, wenn ich wieder damit anfange, und bevor die Gedanken dann alles überlagern, kann ich die Stille noch spüren.
    Recht so. Und Blask sah den Jungen an. Meinst du nicht auch, daß dieser Kopf noch viel mehr könnte?
    Doch.
    Und doch hast du dir einen Schanker eingefangen.
    Ja.
    Die Säfte haben den Kopf befeuert und der Kopf die Säfte.
    Ja.
    Und zuletzt haben sie dich reingeritten.
    Ja.
    Und du wirst es wieder tun.
    Willem sagte nichts.
    Der Doktor schlug auf den Schreibtisch. Dieser verdammte Trieb! Rein und raus! Mal eben in der Mittagspause, mal eben vorm Schlafengehen, und fast immer zwischen Tür und Angel. Dabei könnte unser Kopf weit über so einer rohen Maßlosigkeit stehen und die rein triebgesteuerte Rasanz so umwandeln, daß beide Partner die Vereinigung auf jeder Ebene als vollkommen befriedigend erleben. Verstehst du, Junge, unser Kopf könnte Herz hervorbringen, Respekt und Einfühlungsvermögen, und in einem auf Gemeinsamkeit ausgerichteten Höhepunkt könnte das Potential zu umfassender menschlicher Verfeinerung liegen – womöglich einer neuen, friedlichen Dimension.
    Doch das Gegenteil ist der Fall, und rohe Maßlosigkeit und Rasanz befeuern sich gegenseitig. Schon langt es nicht mehr hin, es noch mal zwischen Tür und Angel, es im polygamen Kreis oder gegen Bezahlung zu treiben. Schon giert der Kopf, sondert maßlos neue Lüste ab und braucht zur Befriedigung immer mehr. Amputationsstumpen, Exkremente, Kinder. Und sobald das nicht mehr hinlangt, müssen Säuglinge herhalten oder Greisinnen mit künstlichen Zähnen.
    Der Doktor lachte.
    Es steht schlimm um unsere Spezies. Anstatt Verfeinerung anzustreben, anstatt im Verzicht den Genuß zu entdecken und im Kleinen das Große, lassen sie ihre Perversionen wuchern. Und noch schlimmer, mein Junge, sie verwandeln diese perversen Aussonderungen ihres Kopfes in gottgegebenes Recht; sie nageln sich ihre Krone ins Haupt und behaupten, mit gemeiner Evolution nichts mehr am Hut zu haben. Behaupten, aus ihrem Kopf die eigene Göttlichkeit in die Welt gepreßt zu haben, und aus dieser krankhaften Vermessenheit pressen sie ständig neue Vermessenheiten und schlagen das Recht dazu tief hinein ins Herz der Welt. Verstehst du, Junge: Der menschliche Kopf ist zur Krankheit geworden, und ob wirs nun wollen oder nicht, mit diesem Kopf ist auch eine neue Ebene der Evolution entstanden; eine alles erfassende Maßlosigkeit, als ob die Möglichkeiten dieses Kopfes größer sein könnten als die des Universums.
    Und damit sprang der Doktor auf, steckte Willem das Rezept zu, legte eine Schachtel Kondome obenauf und wünschte baldigst – na ja. Und er winkte ab und grinste.
    Willem arbeitete einen sorgfältigen Plan aus und ging kaltblütig vor. Zuerst recherchierte er den Namen der Sachbearbeiterin, danach ihre Anschrift. Dann tauchte er vor ihrem Haus auf, schnüffelte in der Umgebung und wartete, bis sie heimkam. Als nächstes fing er sie nach ihrem Feierabend ab und saß bald zwei Reihen hinter ihr in der Straßenbahn. Zwei Tage lang arbeitete er gewissermaßen mit den Erfahrungen eines Jägers; die

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