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Kronhardt

Titel: Kronhardt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ralph Dohrmann
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aber ankucken, was.
    Willem sagte: Mal sehn.

19
    Mit dem Sulfonamid verlief der Ulcus molle nach beschriebener Form, und Willem erbrachte die von den Alten geforderte Arbeit. Neben Büro und Produktion holte er nun auch auswärtige Kunden vom Bahnhof ab oder führte sie zu den Sehenswürdigkeiten der Stadt; er saß der Mutter bei, wenn sie ihre allmonatlichen Besprechungen mit Hultschinek und den Frauen führte, und er saß auch danach noch bei ihr, wenn sie ihre Seelenkunde betrieb und Eintragungen in die Personalakten machte oder mit einer der Frauen ein ernstes Gespräch führte. Und anstatt freitags mit Schlosser auf die Wurt und danach in den Ochsenkrug zu fahren, mußte er die Alten geschäftlich begleiten; in Restaurants, auf eine Schlagerveranstaltung oder den Freimarkt. Manchmal brachten die Geschäftsfreunde auch eine Tochter mit, und dann war es unvermeidlich, daß die jungen Leute bald unter sich waren. Willem blieb den Mädchen gegenüber stets freundlich, meist in der Art wie zuletzt gegen die Leysieffer-Schwestern. Keines dieser Mädchen interessierte ihn, und noch wenn sie körperlich auf ihn wirken konnten, blieben sie humorlos und langweilig, und sobald sie sprachen oder sich gebärdeten, hatte er die Vision eines Lochbandstreifens, der ihnen aus einer Hemisphäre in die andere ratterte. Und mit der Zeit entwickelte er aus seiner freundlichen Art eine unauffällige Stille; er ließ die anderen einfach reden und verlagerte seine selbstbestimmte Zeit nach innen.
    Zum Winterhalbjahr fuhr Willem ein gutes Zeugnis ein. Auch Schlosser gehörte zu den Besten, obwohl er noch weniger Zeit zum Lernen hatte. Gisela dagegen bekam ein mieses Zeugnis, und die meisten Lehrer genossen diesen Augenblick – ist 5 , ist 5 , ist 5 . Ihre Zulassung zum Abitur war gefährdet, dabei brauchte sie es so dringend, um von ihren Eltern loszukommen. Sie nahm die Demütigung schweigend hin und ließ ihre Wut erst nach der Schule heraus.
    Und so standen sie am Elefanten. Gisela machte sich über Bosheit und Willkür der Lehrer her; sie nannte sie verklemmte Führer und entwickelte öffentliche Schauprozesse, um der Faschistenbande in diesem Land ein für allemal das Genick zu brechen; sie rauchte, sie schimpfte, und unter der Spannung drängte ihr kleiner Frauenkörper durch den Mantel.
    Willem schlug schließlich vor, noch einen Kaffee zu trinken. Macciavellis waren den Winter über in der Heimat, doch ein Landsmann übernahm während dieser Zeit ihren Laden. Es gab zwar kein Eis, aber Espresso und Kuchen, und als sie um den grünen Tisch saßen, hatte Gisela sich wieder beruhigt. Sie blickte die Jungs an, lächelte und sagte Scheiße. Dann sagte sie noch mal Scheiße. Ihr Vater war irgendeine Art von Feldwebel und ein Mann vom Oberstab, für den jede Form von Gesellschaft nur nach dem Befehlsprinzip funktionieren konnte. Selbstbestimmte Lebensgestaltung hielt er für Anarchie, und ihre Mutter hielt dem Mann die Stange, solange genug Port und Tabletten im Haus waren. Diese Menschen machten Gisela das Leben zur Katastrophe. Sie wollte weg, sie wollte nach Berlin, sich an der Universität einschreiben und ein Fundament schaffen für eine neue Welt. Sie brauchte das Abitur so dringend, und sie blickte die Jungs wieder an und lächelte.
    Willem und Schlosser waren bereit zu helfen. Für Willem bot sich zudem ein berechtigter Anlaß, die Mutter zu belügen und sich wieder etwas von seiner gestohlenen Zeit zurückzuholen. Er argumentierte mit gesteigerten Anforderungen im neuen Halbjahr und kleinen, gemeinschaftlichen Arbeitsprojekten. Zur Absicherung gab er zu, auch der Tochter des Feldwebels nachzuhelfen, und war überrascht, als Kronhardt diese Art von Hilfe auf Anhieb unterstützte. Tatsächlich aber gab es dem Alten einfach ein erhabenes Gefühl, jenen Männern, die das Land und seine Werte verteidigten, ein bißchen unter die Arme zu greifen, und schließlich überzeugte er auch die Mutter. Er nannte Willems Absichten patriotisch, und womöglich, meinte er, würden die Maschinen dereinst auch wieder fürs Militär rattern.
    Als erstes entwickelten die Jungs für Gisela eine Methode, um das Lernen an sich abzukürzen. Dazu griffen sie auf ihre eigenen Erfahrungen zurück, forderten von ihr Konzentration im Unterricht und legten ihr für jedes Fach ein Notizheft an. Danach machten sie sich an

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