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Kronhardt

Titel: Kronhardt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ralph Dohrmann
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Mannes erkennen mit dem Hut obendrauf.
    Nach einer Zeit drückte sich der Mann aus der Limousine. Er nahm den Hut ab und legte ihn aufs Dach. Dann blickte er in den Himmel.
    Willem legte den Gang ein, und so zogen sie an dem Mann vorüber. Er hatte den Kopf in den Nacken gelegt und schien zu lächeln. Doch ganz sicher waren sie sich nicht.
    An der nächsten Querstraße bogen sie nach links.
    Nach einer Kurve erschien vor ihnen die Mauer und verlief eine Zeitlang neben der Straße. Die Parolen und Bilder verschmierten in der Geschwindigkeit, und bald schnitt sich das Mauergrau heraus wie ein Kryptogramm.
    Rings die Mietshäuser warfen ihre Schatten. Sie erschienen trist unter dem blauen Himmel; zerrissene Plakate hingen an den Mauern, die Eingänge düster und manchmal Sperrholz in den Fensterrahmen. Die kleine Halle stand in einem Hinterhof; sie war aus Rotstein gebaut und hatte ein verglastes Sägedach. Am Eingang der Kommune hing ein großer Briefkasten, auf den in poppigen Farben ein russischer Bär gemalt war. Als sie eintraten, hatte Willem auf Anhieb den Eindruck einer Höhle. Eisenträger unterteilten den Raum, und die einzelnen Lager verdichteten sich zu wilder Gemeinschaft.
    Ein Alter lag in einer Hängematte und zog an einem Joint. Zwei Typen hockten im Lotossitz auf einer Werkbank. In einer Ecke stießen Flammen aus einer Küchenhexe, davor stand ein großer Tisch, um den laut diskutiert wurde. Schlosser traf einen Mann, der in Woodstock gewesen war, und der Mann umarmte ihn. Dann umarmte er Willem. Ich hab Jimi gesehn, sagte der Mann.
    An den Flaschenzügen hingen Säcke und Taschen, an den Wänden Drucke und Photos; Marx, grelle Nacktszenen oder psychedelische Muster. Im hinteren Bereich der Halle war eine Galerie. Die Jungs nahmen die Eisentreppen, und am Ende des Gangs klopfte Schlosser an eine Tür. Ein Schwarzer machte ihnen auf. Er hatte einen enormen Kopf, doch dann sah Willem, daß es vor allem seine Haare waren. Alter! Der Schwarze grinste, dann öffnete er seine Hand, und Schlosser schlug ein.
    Das ist Willem.
    Abeba, sagte der Schwarze. Willem sah den gefurchten, seltsam hellen Teller und schlug ebenfalls ein.
    Abeba verriegelte wieder und ging in ein Zimmer, in dem Räucherstäbchen brannten. Womöglich kommt Strauß die Tage nach Berlin, sagte er zu den Jungs. In den Schwaden sah Willem zwei Mädchen sitzen. Eines hatte beide Arme in schwerem Gipsverband.
    Giselas Zimmer war gegenüber.
    Sie trug zwei Kleidungsstücke, Jeans und T-Shirt. Schlosser stemmte ihren Körper, und sie lachten und küßten sich.
    Willem fand, daß Berlin sie verändert hatte. Gisela war eine Frau geworden und noch attraktiver. Doch dahinter schien das Vertraute verzerrt, so als hätte die Großstadt ihr ganzes Wesen erfaßt. Zudem war da noch die Tragödie im Elternhaus, und Schlosser hatte ja gesagt, daß Gisela diese Erschütterung verdrängte. Daß sie in Berlin jetzt um so mehr für die Sache kämpfte, und natürlich mußte all das Spuren hinterlassen.
    Willem lächelte. Dann nahm er Gisela in den Arm. Altes Mädchen.
    Eine Stimme rief: Kinder! Ruiniert mir die Kleine nicht!
    Im Zimmer stand ein Mann mit zwei Kameras um den Hals.
    Das ist Dieter, sagte Gisela. Einen Shot von mir hat er in den Stern gebracht. Und dann: Dieter ist ein alter 175 er. Im Knast hat er nur überlebt, weil er Abitur hat und sie ihn zu den Intellektuellen gesperrt haben. Als er wieder draußen war, fing er mit den Photos an; Ausstellungen in Amsterdam, London, dann Frisco. Und jetzt wollen sie ihn in Berlin. Der Gig heißt Gefickte Religion, und Dieter will ein paar Shots von mir mit reinnehmen.
    Dieter klatschte. Go, baby, go!
    Gisela gab Schlosser einen Kuß. Dann trat sie zurück, brachte Ausdruck in ihren Körper und fletschte die Zähne. Der Kapitalist an sich! rief sie. Seine Rücksichtslosigkeit, seine Gier und Brutalität! Und wie er sich mit seinesgleichen verbündet! Zu Herrschaft, Monopol und staatlicher Gewalt! Und wie er die klassenlose Gesellschaft bekämpft! Die Glückseligkeit der Menschheit! So offenbart der Kapitalist an sich seine Unmenschlichkeit, so offenbart er seine Schuld, und wir rufen: Erschießen! Wir rufen: Zersprengen! Wir rufen: Benzin ins Hirn dieser entmenschlichten Bestie!
    Und Gisela bleckte die Zähne, ihr Körper bewegte sich im Stakkato ihrer Worte, und der Motor von Dieters

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