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Kronhardt

Titel: Kronhardt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ralph Dohrmann
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Volljährigkeit weiterführen. Und so starteten sie am nächsten Morgen. Zur Abfahrt hupte Willem, die Zwillinge blieben zurück und weinten. Die Witwe winkte ihnen mit einem Taschentuch hinterher. Schlosser saß stumm da und schluckte.
    Sie hatten entschieden, bis nach Helmstedt über Land zu fahren, und so zogen sie an den Wümmewiesen und am Teufelsmoor vorbei, stießen aus Osterholz ins Rotenburgische, und erst als sie diesen Landkreis durchquert hatten, sagte Schlosser ein paar Worte. Er hatte noch immer einen Kloß im Hals, und Willem versuchte nicht, ihn aufzumuntern.
    Als sie hinter Uelzen das Wendland streiften, meinte Willem dann, daß Schlosser geregelt habe, was es zu regeln gebe, und in Berlin nun alles Weitere angehen müsse. Er selber glaube, daß die Zwillinge gut behütet seien und auch zurechtkommen würden. Sollten sie Schlosser aber zu sehr vermissen und so aus dem Gleichgewicht geraten, könne er sie immer noch zu sich holen, sobald er in Berlin eine sichere Basis habe. Auch wenn Schlosser dann noch nicht volljährig sei, im Verbund mit Blask und der Kaffeewitwe würden sie einen Weg finden. Und zuletzt, meinte er, sei es ja keine Ewigkeit mehr, bis er einundzwanzig werde.
    Schlosser boxte Willem, dann grinste er, und so zogen sie dahin.
    Zuweilen überholten sie einen Trecker, zwei- oder dreimal trieb ein Schäfer seine Herde über die Straße. Ansonsten kamen sie mit konstanter Geschwindigkeit voran, mal siebzig, mal achtzig Kilometer in der Stunde, vom Horizont her dehnten sich Heideflächen bis an die Landstraße, und wenn sie durch ein Dorf kamen, saßen meist ein paar Alte vor ihren Höfen und winkten ihnen zu.
    Willem hatte sich einen Reisepaß besorgt, ein nagelneues Ding, während Schlossers bereits abgegriffen war und zudem durch die Transitstempel eine seltsame Lebendigkeit in sich barg.
    Der Grenzbezirk wirkte auf Anhieb hart gemacht und kantig; alle Natur schien herausgelöst, und die Jungs sahen kein Buschwerk, keine Gräser. Doch als sie in die Schleuse einrollten, stieg plötzlich ein Trupp Spatzen auf und schwirrte hinüber auf die andere Seite. Dann traten die Zöllner hervor, hart gemachte und kantige Männer in dieser Umgebung. Sie grüßten korrekt und gaben ihre Anweisungen in unverbindlichem Ton. Die Jungs mußten ihre Papiere herausgeben und aussteigen. Sie mußten Fragen beantworten, und rings die Uniformen verströmten eine Lizenz für alles. Die Zöllner wollten in den Kofferraum sehen, sie wollten im Passagierraum stöbern und eine Kiste vom Gepäckträger öffnen, und die Jungs ließen sie gewähren. So wurden sie von einem Deutschland ins andere geschleust. Auf beiden Seiten Schwarzrotgold, und das Licht kam gebündelt und stand überall im Zenit. Die Augen hinterm Panzerglas, als würden sie Geschichte und Gedanken herausoperieren.
    Als sie den Stempel hatten, gab Willem Gas.
    Schlosser wußte, wo der Todesstreifen war. Er hatte mal gesehen, wie Kraniche gelandet waren; Dauerfeuer, sagte er, Explosionen, britzelnder Strom.
    Willem meinte, daß so ein Todesstreifen im Grunde nur eine von vielen Ausdrucksformen ein und derselben Menschenkrankheit sei; einer Versessenheit auf Mechanismen, die wie Gesetze funktionierten und in einer Art Fernwirkung ringsherum alles willig machten. Schlosser gab ihm recht, und bald hackten sie mit ihren Köpfen wie Blask. Sie lachten, und der Käfermotor trieb sie in vertrautem Ton voran; der Klang der Reifen war jetzt heller, und die Schläge von der Fahrbahn hatten einen anderen Rhythmus.
    Als sie die Elbe überquerten, sagte Schlosser: Was ist eigentlich aus dieser Doris geworden?
    Keine Ahnung.
    Hat die sich nie wieder rangemacht?
    Nein. Die erscheint weder in den Vorlesungen noch in den Seminaren; ich sehe sie nirgends mehr.
    Seltsam.
    Dafür kann es tausend Erklärungen geben. Auch, daß sie etwas mit dieser Albany zu tun hat. Aber ich weiß es nicht.
    Graumäusig, sagst du. Und wenn sie Wodka und Hasch intus hat, wird sie gierig nach hartem Sex.
    So schien sie mir jedenfalls.
    Hast du es hart hingekriegt?
    Da bin ich doch nicht der Typ für.
    Vielleicht wußte sie das. Und die harte Nummer war nur eine Masche von ihr.
    Na klar. Alles ist möglich.
    Meinst du, die machen sich auch an die Zwillinge ran?
    Wir wissen doch nicht einmal, ob die sich überhaupt an einen von uns ranmachen. Und warum Hannes und

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