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Kronhardt

Titel: Kronhardt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ralph Dohrmann
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Dann lachte sie. Scheiße, ich bin tatsächlich auf eine Bananenschale getreten. Und dabei bin ich nicht vor den Bullen getürmt, sondern wollte meinen Bus erwischen.
    Willem sagte: Wohin wolltest du denn?
    Ins Büro natürlich. Jeden Tag von acht bis sechzehn Uhr. Ich bin spießig.
    Tatsächlich?
    Astrid lächelte.
    Hast du Durst?
    Sie sah ihn an. Sie sah schön aus, und dann hielt er ihr das Glas an die Lippen.
    Gisela zeigte Willem eine Kammer, wo er schlafen konnte. Nichts Großes, zwoeinhalb mal anderthalb Meter, eine Pritsche und ein kleines Fenster, aber Willem war dankbar, daß er für sich sein konnte. Er holte seine Tasche, dann lag er eine Weile auf den Holzbrettern. Durch das Fenster war der Ast einer Kastanie zu sehen, zwischen den Früchten und den Blättern etwas Himmel.
    Später saßen sie zu dritt in Giselas Zimmer.
    Schlosser machte Gisela Vorhaltungen. Er sagte: Dieter ist einer von den anderen.
    Er ist homo.
    Vielleicht ist homo auch nur ne Masche. Aber der Kerl ist von der Sorte, gegen die du Steine wirfst. Darum gehts.
    Gisela sprang auf. Du mußt ja hier nicht überleben! Verstehst du!
    Schlosser verstand nicht, und Gisela wußte, daß er recht hatte. Bald lag sie in seinem Arm, und er hielt ihren Kopf und küßte ihn. Und dann sprang sie wieder auf, schimpfte und war enttäuscht, daß er nicht zu ihr in die Kommune ziehen wollte, und als Schlosser vorschlug, sich gemeinsam eine Bude zu nehmen, schimpfte sie weiter. Gisela wollte auf jeden Fall in der Kommune bleiben.
    Als es dämmerte, ließ sie ein Shillum herumgehen.
    Willem machte einen tiefen Zug, und dann war es ein Gefühl, als würde sich die weiche Masse unter seinem Schädel blähen. Die Wirkung war nicht mit Schlossers selbstgezogenem Kraut zu vergleichen und auch nicht mit den Joints, die er im Studentenheim geraucht hatte. Bald lag Willem auf dem Flokati; er sah Kraniche in wunderschöner Keilformation fliegen, er sah einen Major, der den Käfer beschlagnahmte, die Kraniche damit durchs Moor und über Schlenken bis auf den Todesstreifen hetzte. Von den Explosionen und dem Dauerfeuer wachte er auf.
    Schlosser und Gisela stritten sich. Und er ahnte, daß sie bis in den Morgen weitermachen würden. Streit und Kaffee und Sex und Streit.
    Als Willem auf der Pritsche lag, sah er den Major wieder. Er saß bereits im Käfer und winkte Willem zu sich. Sobald die Türen geschlossen waren, hob der Käfer ab, und Willem erkannte, daß der Major nun Juri Gagarin war. So durchmaßen sie bald den Raum, unter ihnen silberblaue Klarheit, das Horn von Afrika oder die Korallenriffschnur in der Karibik. Und Juri Gagarin lachte. Er erzählte von Willems Vater, er zeigte auf die Welt unter ihnen, und Willem erkannte die Maschinenstickerei mit der Junggesellenbude unterm Dach. Und Juri Gagarin riß das Steuer herum, lachte und sprach von Willems entscheidender Metabolie.
    Als Willem erwachte, stand der volle Mond in dem kleinen Fenster. Im Silberlicht wirkten die stacheligen Früchte an der Kastanie wie Sterne. Er schloß die Augen und schlief wieder ein.
    Am nächsten Morgen kaufte Willem fürs Frühstück ein. Als er den Kaffee kochte, kam Schlosser in die Küche. Er sah erstaunlich frisch aus.
    Sie aßen alleine. Gisela lag noch im Bett, die Kommunarden standen in der Regel spät auf. Der einzige, mit dem man um diese Zeit schon rechnen mußte, war Stirner.
    Schlosser erzählte, daß Stirner nur ein Spitzname sei, weil er diesen unglaublichen Wulst habe. Stirner trug immer Bleistift und Papier bei sich, er hörte nicht auf zu fragen, und noch auf dem Klo machte er sich seine Notizen. Es gab die Gerüchte, daß er ohne seinen Stenoblock nicht zum Orgasmus kam, und Schlosser fand es erstaunlich, daß so viele Frauen versessen waren auf diesen Kerl. In seinem Zimmer stapelte er Zeitungen, Bücher und Karteikästen. Er arbeitete darauf, schlief darauf, und noch in den Nischen legte er Untersysteme an. Er hatte mehrere Telefone mit einer selbstgebauten Anschlußbuchse, und abends ging es los. Es klingelte und klingelte, und Stirner stöpselte ein und aus. Hielt die Hörer zwischen Schulter und Kopf geklemmt, chiffrierte auf blauem Papier, auf grünem, saugte Informationen oder zog Antworten aus seinem undurchschaubaren System. Und Stirner fand Antworten auf alles – in welche Schule die Kinder von dem oder dem gingen, wo auf

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