Kronhardt
überweg, eine Handvoll Pferde graste, und Willem meinte, den Dädalos auszumachen.
Eine Viertelstunde weiter griff der Wald bis an die StraÃe. Mit dem zeitigen Frost in diesem Jahr war bereits viel Laub von den Bäumen gefallen, und wo die Sonne einfiel, leuchtete der Boden in kräftigen Farben.
Barbara war nach dem Tod ihrer Eltern nicht mehr in der Natur gewesen, und sie genoà die ziehende Weite und das anrückende Land. Sie fühlte sich im Käfer geborgen.
Willem bog in einen Forstweg. Die Spur war aufgeweicht, und starker Waldgeruch drang ins Auto. Die Rindenfarbe der Buchen veränderte sich im flirrenden Licht, und einmal sahen sie einen Gabelbock davonspringen. Kurz hinter einer Krippe hörte der Weg einfach auf.
Anfangs schien die Stille erhaben, bis hinauf in den Himmel, und die Baumstämme schienen Säulen eines unglaublichen Gewölbes. Doch bald hörten sie erste Vögel, einen Specht etwa oder das Murksen einer Schnepfe. Gelegentlich zog eine Brise durch die Wipfel, Blätter segelten abwärts, und im Unterholz knackte es.
Sie hatten festes Schuhwerk dabei und Rucksäcke. Barbara band ein olivfarbenes Kopftuch um, und als Willem einen Filzhut vorholte, lachten sie beide.
Sie nahmen Richtung gegen die Kolken. Ein Pfad schlängelte durch die alten Bäume, und Sonnensprengsel bewegten sich auf dem weichen Laub. Die Farnbüschel standen hoch, doch die grüne Farbe war bereits kraftlos. Kreuzspinnen saÃen in ihren Netzen, manchmal stieg Pilzgeruch auf, oder sie sahen die Losung eines Tiers.
Nach einer halben Stunde lichtete sich der Wald. Zwei, drei Buchen lagen vermorschend auf dem Pfad, und rings waren die Alten und Schwachen von Zunderschwämmen besetzt. Der Untergrund weichte auf, Moospolster erhoben sich, und sie hielten auf eine Lichtung zu. Vereinzelt fuÃten Birken oder Erlen, Wollgras stand silbern und Bärlapp reflektierte wie Schlangenhaut. Bald sahen sie die ersten Moorlöcher, sie hörten den heiseren Ruf einer Bekassine, und über den Seggen ahnten sie noch den Zickzackflug. Als Barbara eine Feder fand, nahm sie Willems Hut und steckte sie behutsam fest.
Auf einem festen Polster zwischen zwei Kolken machten sie erste Rast. AÃen Stullen, aus der Thermoskanne dampfte Kaffee, und Barbara drückte ihre Zigarette in eine Blechschachtel. Ein Rabe schrie, als sie sich ins Moos legten. Ihr Haar leuchtete unter dem Kopftuch, und ihre Fingerspitzen streiften seine Haut. Willem zuckte wie unter StromstöÃen, und Barbara lächelte stumm. Als ihr Mund so nahe war, daà der Atem auf seine Haut schlug, brachen plötzlich Wildschweine ein. Eine grunzende Rotte, die sich rasch und ungestüm näherte und noch die sumpfigsten und dichtesten Stellen nahm, als bewegte sie sich auf freier Ebene.
Willem wuÃte sofort, was los war, und er erwartete, daà Barbara aufschrecken würde. Doch bevor er sie niederhalten konnte, hatte sie schon einen Finger auf seinen Lippen, und er sah die freudige Erregung in ihren Augen. So verharrten sie auf dem Polster, ahnten, wie Rüssel und spitzer Kopf den Weg bahnten, und dann, aus dem Lärm heraus, konnten sie sie sehen. Sie kamen mit dem Wind und machten am nächsten Moorloch halt. Stiegen ein, wälzten sich, grunzten, und bald glänzten die Schilder tiefschwarz unter der Sonne, und auf dem Widerrist standen die Haare gebündelt wie Stacheln. Nach einer Viertelstunde stieÃen die Schweine wieder ab, und von ihrem Polster konnten sie noch das Gebreche hören, bis es im Wald verschwand.
Die nächste Rast machten sie auf einem Hochsitz. Es war ein robustes, groÃzügiges Modell, und durch die hochgeklappten Luken hatten sie Blick über ausgedehnte Heidefläche, die von Wacholder und kleinen Kieferngehölzen durchbrochen war. Die Sonne fiel bereits ab, und manchmal leuchtete die Nahtstelle am Horizont, doch es würde noch eine Weile hell bleiben. Auf dem Sims stand der Kaffee, ein biÃchen Schokolade, und sie waren sich so nahe in dem rohgezimmerten Stand, daà die Vergangenheit zwangsläufig aufstieg. So verdichtete sich jeder Moment aus der Tiefe, und als Willem von Constanze erzählt hatte, sah Barbara ihn lange an. Dann kamen ihre Lippen aus der Stille, und das weiche Fleisch berührte seine Haut. Sie beneide diese Constanze, flüsterte sie, und Willem spürte den Kontakt in heiÃen StöÃen, und seine Stimme flatterte, als er sagte,
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