Kronhardt
und auf dem Boden Schnürstiefel. Frau Focke bemerkte seinen Blick und räusperte sich.
Im Treppenhaus konnte er durch die geöffneten Falltüren mehrere Bodenräume sehen. Träger und Streben machten den schmalen Bau robust. Die Stiegen waren ausgetreten und knarzten, als Frau Focke voranging.
Sie hatte ihr rotbraunes Haar zu einem lockeren Dutt gebunden, ein paar Strähnen kringelten sich im Nacken. Bald legte sich ihr Duft auf seine Schleimhäute, bald konnte er sehen, daà sie Strumpfhalter trug.
An der ersten Brüstung drehte sie sich um.
Willem wurde rot. Sie sollten das als Kompliment verstehen, Frau Focke.
Komplimente während des Geschäfts machen mich stutzig, Herr Kronhardt.
Als sie sich von der Brüstung stieÃ, sah er den kraftvollen Schwung ihres Rückens.
Sie ging auch das nächste Stockwerk voran.
Sie wissen so gut wie ich, daà Ihnen das Kostüm steht. Und wenn Sie nicht gewollt hätten, daà ich Ihre Wäsche sehe, wären Sie nicht vorangegangen. Oder hätten Hosen an.
Frau Focke machte eine Handbewegung. So sitzen Sie also da und biegen sich eine Welt zurecht, in der die Frauen nichts weiter im Kopf haben, als die Männer scharfzumachen. Und wenn es hart auf hart kommt, stehen Sie am Ende vor einem Richter und sagen, ich bin provoziert worden, und der Richter sagt, alles klar, Sie sind freigesprochen, mein Sohn.
Willem machte ihre Handbewegung nach.
Die Strumpfhalter waren bordeauxrot und schienen aus feiner Spitze. Er sah den Kontrast zu der hellen Haut ihrer Schenkel. Wenn es hart auf hart kommt, verliere ich in genau dem MaÃe die Kontrolle, wie die Frauen es steuern.
Oh, Sie sprechen aus Erfahrung.
Ach was. Reine Naturwissenschaft.
An der nächsten Brüstung stand sie wie eine Galionsfigur. Ihre grünen Augen musterten ihn, während er aufwärts stieg.
Dann betraten sie gemeinsam den Speicher.
Auf den ersten Blick waren die Schätze nicht zu sehen. Willem hatte Ballen über Ballen erwartet, doch der Speicher wirkte kahl, und nur an den Seiten waren halbhohe Schränke eingebaut mit Schubfächern, die schwer aus ihrer Tiefe kamen.
Die Schränke sind belüftet und so isoliert, daà es über das Jahr kaum Temperaturschwankungen gibt. Kommen Sie. Schauen Sie.
Lavendel stieg auf, vermischt mit teils dumpfen, teils feinen Gerüchen, und zu jedem Fach gehörten ein Deckel aus Gaze und eine Karte. Lager und Bestandsbuch waren tadellos geführt, und tatsächlich offenbarten sich Schätze in den nüchternen Schränken. Wie Mumien kamen die Ballen zum Vorschein, jeder ein Unikat handwerklicher Tradition, jeder mit einem Stammbaum wie ein Adelsbrief â Persien, sagte Frau Focke, Belutschistan oder China, und die Verfahren der Herstellung sind seit fünfhundert Jahren unverändert. Ein Stück Kulturgeschichte, sagte sie, und Willem konnte plötzlich ihre Leidenschaft verstehen und die Ringe unter ihren Augen.
Sie hievte so eine Mumie heraus, legte sie auf eine Waage und las von der Karte vor: Brokat in Feinstich-Jacquard, 1200 Platinen, aus syrischem Hechelflachs. In mexikanischem Koschenille gefärbt, mit mexikanischem Silber durchwirkt und so weiter und so weiter. Schauen Sie, hier finden Sie alles: Flachsart, Anbaugebiet, die Silbermine und sogar die Herkunft der Koschenilleläuse. Ist das nicht wunderbar! Alles. Schauen Sie nur. Alles, alles, alles. Mit Echtheitszertifikat bis hin zu der kleinen Weberei in Apulien. Und hier: die eingekreiste Zahl â das ist das spezifische Gewicht bei sachgemäÃer Lagerung, und anhand dieser Tabelle läÃt sich wiegen, wie viele Meter der Ballen noch hat â oh, ist das nicht wunderbar! Kommen Sie! Fühlen Sie, riechen Sie, lassen Sie Licht auf die Stoffe und sehen Sie den Zauber.
Willem hatte plötzlich das Bedürfnis, die Frau anzufassen. Er roch ihren Schweià und die Damenseife, er spürte das Blut, das unter dem Busen strömte. Und während der Hechelflachs durch ihre Fingerspitzen glitt, kamen sie sich ganz nahe.
Am nächsten Tag kam er wieder.
Eine Lampe brannte über dem Holztresen. Das Licht gab ihr eine schöne Blässe, wie Marmor oder Madonnenmilch, und er bemerkte ihre Sommersprossen und die dunkel-kupfrige Zweifarbigkeit ihres Haars. Er sah ihr beim Schneiden zu, und als er half, die Ballen ins Futteral zu stecken, berührten sie sich beiläufig.
Später langte er ihr Kreide oder
Weitere Kostenlose Bücher