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Kronhardt

Titel: Kronhardt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ralph Dohrmann
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Pässen und stampften ihren Jack sauber ausgerichtet auf die nächste freie Seite. Exchange is straight ahead, cabs are right behind it.
    Ãœber dem Bahnhof standen weiße Wolken.
    In der Wartehalle kaufte Barbara eine Evening News, obwohl es noch Vormittag war. Willem beobachtete Ein- und Ausfahrt der Züge und wunderte sich, daß es kein Getümmel gab. Als ob diese Engländer eine Abmachung getroffen hätten.
    Richtung London segelten ihnen die weißen Wolken entgegen. Kurz vor der Hauptstadt sackten sie ab und verschoben sich in eine graue Decke. Der Regen lief schräg an den Fenstern, doch schon eine halbe Stunde westwärts fuhren sie wieder unter blauem Himmel.
    Die Waggons waren offen, und es gab livrierte Servicemänner. Die Hüte lagen in der Hutablage, das Gepäck in der Gepäckablage. Die Sitze waren weich und tief, und es schien egal, ob die Engländer steif dasaßen oder geflegelt. Sie wirkten jederzeit stilsicher, und wenn sie höflich um die Erlaubnis baten, in den Zähnen zu pulen oder der Nase, machten sie auf diese Art jede Verweigerung zur Unhöflichkeit.
    Willem gefiel dieses stille Übereinkommen. Man schaffte sich eine höfliche Basis, sein zu können, wer man war, und wenn jemand Anstoß daran nahm, war dies ein Eingriff in die persönliche Freiheit, so daß die Gewissensfrage automatisch auf den anderen zurückfiel.
    Barbara wußte nicht, ob sie Willems Sicht teilen konnte. Schließlich gehe er mit deutschem Kopf ans englische Eingemachte; an einen Liberalismus, meinte sie, der stolz sei auf seine insulären Wurzeln, und so müsse man vielleicht vorsichtig sein mit seinem deutschen Kopf.
    Willem blieb eine Zeitlang still. Dann sagte er, daß man mit seinem Kopf überall vorsichtig sein müsse und daß die Färbung der eigenen Wahrnehmung jede andere Realität schnell verwischen könne.
    In den Abteilen waren emaillierte Nichtraucherschilder angebracht, und Barbara hielt Zigarette und Feuerzeug bereits in der Hand, als sie um Erlaubnis fragte. Willem sagte, I beg your pardon, und brachte einen Liter Zollfreien hervor.
    Die Dame gegenüber hatte nichts gegen Caledonian Single, entschuldigte sich aber, daß sie ihren Gin bevorzuge. Willems Sitznachbar langte nach einem Stock mit Silberknauf, drehte ihn auseinander und zog ein Schnapsbecherchen hervor. Very well, sagte er, und so tranken sie zu viert.
    Hinter den Fenstern zog englische Landschaft vorbei; ein paar Reiter nahmen die Anhöhe einer Wiese, bald erschien das Fachwerk eines Dorfs, bald ein abseits gelegenes, von gestutzten Hecken umgebenes Anwesen. Als die Gleise eine Straße kreuzten, zeigte Willems Sitznachbar nach Osten. Dahinten liege Kent, sagte er, und sein Urgroßvater sei regelmäßig mit Darwin spazierengegangen.
    Oh, tatsächlich, sagte Willem, und sie blickten nach Osten, als könnten die Spaziergänger jederzeit auftauchen.
    Die Dame genehmigte sich noch einen Gin, dann zeigte sie in eine andere Richtung. Dahinten liege Warwick, und ihre Sippe sei noch vor den Shakespeares in Stratford-upon-Avon dokumentiert. Barbara sagte, wie wundervoll, und Willems Sitznachbar nahm gern einen zweiten Whisky. Bei ihm, sagte er, gehöre Charles quasi zur Familie. Und die Dame aus Stratford nickte dazu und meinte, das sei aber ganz außerordentlich schön. Und dann meinte sie, daß William ja aus bescheidenen Verhältnissen gewesen sei, der Vater Handschuhmacher, und da wäre es selbstverständlich gewesen, daß sie den schmalen Balg in ihrer Sippe aufgepäppelt hätten.
    Der Mann aus Kent nahm das zur Kenntnis und blätterte in den Finanzen; als sie einen Fluß überquerten, war die Dame aus Stratford eingenickt.
    Barbara rauchte, Willem nahm noch einen Schluck, und zwischendurch kamen sie aus den tiefen Sitzen und küßten sich.
    Der Zug rollte von einer sanften Anhöhe gegen Brighton. Ein Städtchen in verwurzelter Bauweise, beinah lieblich gegen das Meer gestellt, und entlang der Küste zog eine Straße, die die Dörfer aus dem Hinterland anzuziehen schien.
    Der Bahnhof war aus Rotstein, die kleine Halle aus genietetem Eisen. Die Luft roch nach Tang mit einer Spur von Koks, und als sie ausstiegen, stieß gebündelter Dampf durch die Schwungräder der Lokomotive. Willem trug den Koffer der Dame aus Stratford aus dem Waggon, und draußen nahm der Mann aus Kent Haltung an, wünschte dem deutschen

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