Kronhardt
eigenen Haustür. Schauen Sie, hier: In Bremen wird das gröÃte Möbelhaus Deutschlands errichtet. Oder hier: Nach dem Dioxinskandal verhärten sich die Fusionsgerüchte im Oldenburger Fleischgürtel, und das Programm erfaÃt wie von selbst alle Konstanten und Variablen. Verstehen Sie, noch bevor das Möbelhaus errichtet ist, bevor die neuen Strukturen im Fleischgürtel greifen, haben wir bereits Embleme, Angebot, die ganze Palette parat. Mit dem Programm können wir auf eine Wirklichkeit reagieren, die eigentlich noch gar nicht vorhanden ist. Verstehen Sie. Das ist Zukunft.
Der Alte starrt auf die klickenden Bilder am Monitor; Statistiken, Parameter, Kurven. Ein weites Feld, das Sie da beackern, mein lieber Laschek.
Nichtwahr? Und Ihr Haus war ja schon immer darauf ausgerichtet, die Möglichkeiten des Marktes frühzeitig zu erkennen. Natürlich hat auch so ein Programm seine Grenzen, und in der Realität bleiben vertrauensvolle Zuträger und Mittelsmänner unerläÃlich. Doch gerade durch das Netzwerk meiner Kontakte habe ich Grund, auch in dieser Richtung zuversichtlich zu sein. Verstehen Sie, und Laschek zeigt auf den Monitor. Ich nutze dieses Medium in seiner ganzen Breite und Tiefe, um Kronhardt&Focke auch gegen die internationale Konkurrenz weiterhin ganz oben zu halten.
Recht so, Laschek.
Aber unter uns gesagt werden meine diesbezüglichen Aktivitäten vom Junior stark torpediert. Dabei läuft ohne das Netz heutzutage gar nichts mehr, und gerade aus dem Netz will er mir einen Strick drehen. Den Vorsprung, den wir uns über die Jahre erarbeitet haben, zunichte machen. GewissermaÃen zurück zum Hollerithprinzip, verstehen Sie?
Ach was. Ich halte Ihnen schon den Rücken frei. Der Alte schlägt dem Dicken auf die Schulter. Und dann: Was macht denn die Arbeit für meinen Freund Steiner?
Ah, der Herr Steiner, sagt Laschek. Dirigiert die Maus, klickt, und bald öffnet sich ein Fenster, auf dem eine Art Diamant rotiert. Ich muà noch feilen, aber es wird.
7
Zu Mittag sitzt Willem bei Hector Luna und nimmt ein paar Tapas. Obwohl der Mexikaner viel zu tun hat, kommt er auf einen Plausch zu ihm. Gemeinsam werfen die Männer dann einen Blick in die neueste Ausgabe der Fachzeitschrift, in der Willem ein Bild von Rodericks Sohn entdeckt hat. Jake, der Teilchenphysiker, wird tatsächlich als eine Koryphäe auf seinem Gebiet beschrieben und als einer der ersten, die die lange als unüberprüfbar geltende Hypothese der Quantenteleportation experimentell bestätigen konnten. Dabei ist es ihm gelungen, die Eigenschaften eines subatomaren Objektes an einem Ort aufzulösen und an einem anderen wieder hervorzubringen. Eine Art zu reisen, sagen die Männer, ohne sich fortzubewegen; die Visionen vom Beamen aus der Science-fiction-Literatur, sagen sie, und in dem Magazin wird darüber berichtet, daà Rodericks Sohn nun plant, dieses Experiment unter neuen, spektakulären Umständen zu wiederholen. Die phänomenale und nicht zu erklärende Eigenschaft des Georgischen Schädels, sich in der Zeit rückwärts zu bewegen, soll auf subatomarer Ebene gewissermaÃen gebeamt werden, und niemand wagt vorauszusagen, ob das Experiment gelingen kann; und noch weniger, wie ein Gelingen sich in der Welt auswirken könnte.
So sitzen sie in der Nische und vergessen die Zeit.
Erst als Barbara und Inéz sich zu ihnen setzen, scheinen die Männer wieder aufzutauchen. Willem küÃt Barbara, Hector küÃt Inéz, und dann sieht der Mexikaner plötzlich, daà seine Leute in der Restaurant-Bar alle Hände voll zu tun haben. Die Frauen geben sofort Willem die Schuld. In seiner Art, Raum und Zeit entgleiten zu lassen, sagen sie, reiÃe er noch so arglose Männer wie Hector mit ins Nichtstun. Dann lachen sie alle, der Mexikaner nimmt die Bestellungen der Frauen auf, Barbara streicht über Willems Kopf, und zu dritt sitzen sie entspannt bis über den Espresso.
Zum Nachmittag reiÃt die Wolkendecke auf, und gegen das Blau werden dicke Schichten sichtbar, die nach Osten ziehen. Auch wenn die Sonne noch tief steht, kann Willem die Strahlen auf seiner Haut spüren, und er entscheidet sich, an die Weser zu gehen. Hinter der BöttcherstraÃe stöÃt er auf die Promenade, zieht vorbei am Martinianleger Richtung Schlachte und setzt sich auf eine sonnenbeschienene Bank. Gegenüber die alte Teerhofinsel ist nun teuer
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