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Kronhardt

Titel: Kronhardt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ralph Dohrmann
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oder andere Detail außer acht gelassen hätten.
    Die Ramows sehen einander ungläubig an. Dann sagen sie: Also wäre Ihnen grobkörnig lieber?
    Ganz und gar nicht. Ich bin beeindruckt von Ihren Fähigkeiten und frage mich ehrlich, was Sie erst rausbringen, wenn Sie Zeit und Energie bündeln.
    Aber genau das tun wir doch. Wenn wir auf einer Spur sind, ergeben sich die Kleinigkeiten von selbst, und noch wenn wir uns bemühen, das eine oder andere Detail außer acht zu lassen, werden wir um nichts besser.
    Seltsam.
    Was ist daran seltsam. Sie gehen aus Ihrer Position an den Fall, wir aus unserer.
    Sie haben ja recht.
    Eben. Und wenn wir Kleinigkeiten aufdecken, ist das keine Zeitverschwendung, sondern Grundlagenforschung. Verstehen Sie: Eine unverhoffte Wendung in dem Fall, und schon kann es entscheidend sein, ob Konetzke Schlangenleder trägt oder nicht. Ob er sich zuerst links den Schuh überzieht oder rechts.
    Willem hebt die Arme. Ehrlich. Ich weiß Ihre Arbeit zu schätzen.
    Wir geben ja zu, daß die Rekonstruktion einer Vergangenheit niemals aus der Summe der aufgedeckten Einzelteile gelingt. Bestenfalls zwingen die Fakten zu einem Schluß, doch dahinter bleibt noch immer vieles verborgen. Doch man sollte die Kleinigkeiten nicht vernachlässigen.
    Wissen Sie, was meine Frau sagt? Daß Sie erscheinen, als könnten Sie mühelos durch die Zeiten springen.
    Doch anstatt zu lachen, machen die Ramows nur eine vage Geste.
    Die Männer trinken Kaffee, und einer der Detektive zieht ein paar Photos vor.
    Willem sieht Konetzke in einer Studio-Bar, neben ihm eine Frau. Im Hintergrund Muskeln, Fleisch und blanke Zahnreihen. Konetzke steht da, wie er ihn in Erinnerung hat. Die Frau ist blond, mit auffälligem Busen unter dem elastischen Rosarot.
    Wie kommen Sie an diese Bilder?
    Seit aus Burke Konetzke geworden ist, haben wir einen Ansatz. Da kommt dann eins zum anderen. Oder wenn Sie Ihrer Frau glauben wollen: Wir springen durch die Zeiten.
    Willem geht die Studio-Bar noch mal durch. Er erkennt den Rottweilertypen aus der Stumpfen Spitze, doch als die Ramows ihm den Serben zeigen, hebt er nur die Schultern. Auch die anderen Gesichter sind ihm unbekannt.
    Und die Engelsche, sagen die Detektive.
    Nie gesehen.
    Was halten Sie von ihr?
    Bei all den Turbobräunern sollte sie eigentlich eine Lederhaut haben.
    Vielleicht läßt sie sich die Falten wegspritzen.
    So ein Typ könnte sie sein.
    Meinen Sie, der Busen ist echt?
    Was weiß ich. Es gibt genügend Menschen, die alles Echte noch vor sich selbst vertuschen. Und sich mit Ersatz ausstatten, als könnten sie sich neu erschaffen.
    Und die Engelsche ist so ein Typ?
    Ich mußte in jungen Jahren mal zu einer ärztlich angeordneten Entleerung. Mein Doktor drückte mir ein Magazin in die Hand, und damit verschwand ich in einer Kabine. Auch wenns andere Zeiten waren, den Engelschen Typ gabs damals schon.
    Wie kamen Sie denn zu einer ärztlich angeordneten Entleerung?
    Ich bin eine genealogische Sackgasse.
    Und um das rauszukriegen, waren Sie mit dem ewigen Ricarda-Typ in der Kabine.
    Ja. Aber mit ihr hats nicht geklappt, und die Männer lachen.
    Dann sagen die Detektive: Wie sind Sie denn unfruchtbar geworden?
    Anscheinend lag die Ursache im Kopiervorgang der elterlichen Chromosomen, und ich hätte ebenso mit einem Wasserkopf auf die Welt kommen können. Oder als Mongoloider.
    Die Ramows grinsen. Und da sitzt man dann, und alles scheint normal. Doch in Wirklichkeit ist diese Normalität das Ergebnis einer haaresbreiten Verfehlung.
    Ja. So sitzt man als Mensch. Und bildet sich schwer was ein. Und dann: Haben Sie Kinder?
    Wir? Ach was.
    Auch unfruchtbar?
    Keine Ahnung. Und ehrlich gesagt sind wir nicht der Typ für Fortpflanzung und trautes Heim. Bei den meisten Frauen fallen wir deshalb eh durchs Raster.
    Und Willem lacht. Da können Sie Zeit und Energie also voll in den Beruf stecken.
    Auch in der alten Ostzone, sagen die Detektive, mußte ja schließlich eine Aufklärung stattfinden. Die Menschen dort waren gezwungen, ihre Unmündigkeit zu überwinden, wenn sie nicht vom Kapitalismus gefressen werden wollten, und wo die eigenen Fähigkeiten dazu begrenzt blieben, gab es immerhin die Möglichkeit, sich Wissen aus der westlichen Medienlandschaft anzueignen. Trotz der Ernüchterung, die ringsherum bald jeder spüren konnte, blieb die Aufklärung – gemessen an den Zeiten – ein

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