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Kronhardt

Titel: Kronhardt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ralph Dohrmann
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die Auswirkungen der Flugzeugattentate die Welt in neuer Rasanz veränderten, baldowerte Eddi wieder an dem, was er gut kann: vergleichsweise kleine und gerissene Geschäfte.
    Konetzke verfolgte, wie Mobiltelefon und Internet sich weiterhin flächendeckend ausbreiteten und wie demokratische Länder zugleich darangingen, das Grundrecht auf persönliche Freiheit und Privatsphäre aufzulösen in einem übergeordneten Recht, das die Gemeinschaft vor terroristischen Anschlägen schützt. Eine Zeitlang genoß er es sogar, diese Entwicklungen vorausgesehen zu haben, und im Studio schien er stets informiert über die Möglichkeiten von Satelliten, Datenspeicherung oder legalisiertem Zugriff. Er riet davon ab, verdächtige Spuren auf Privattelefon oder Computer zu hinterlassen, und neben diesen Entwicklungen, die aus New York die ganze Welt erfaßten, wurde zudem in Deutschland die wahre Last der Wiedervereinigung spürbar.
    Auch Konetzke mußte einsehen, daß die große Goldgräberzeit vorbei war; im Osten waren sie der Westrhetorik auf den Leim gegangen, doch nun bröckelte es in der ganzen Republik. Das soziale Fundament schien ausgespült von den enormen Belastungen, und zusätzlich schlugen Faktoren wie Euroeinführung oder Welthandelsabkommen ins Kontor. Neoliberalismus verdrängte die Sprachschichten bis in die Wurzeln, Kunstwörter wie Turbokapitalismus entstanden, die Welt schien in der Dimension neuer Vernetzung zu schrumpfen, und jeder konnte sehen, wie die Geldströme vorbeirauschten; wie Unmoral gesetzlich verankert wurde, wie die Ersparnisse eines Lebens sich in digitales Nichts auflösten und Armut zum Spekulationsobjekt an den Börsen wurde. In den Diskussionsrunden sprachen die Politiker von heuschreckenartigen Erscheinungen und machten sie bald ganz ungeniert zu Phänomenen, die jenseits menschlicher Verantwortung lagen. Zugleich bekannten sie selber sich zum Menschlichen, gaben heile Parolen aus und ließen keinen Zweifel an ihrer Fähigkeit, Volk und Land auch gegen diese überstehenden Mächte zu führen. Sie schürten die Angst und machten sich zu Erlösern; rings die Existenzen bröckelten dahin, und Geiz und Egoismus erschienen als neue Tugend. Und als reichte diese Angst noch nicht aus, als wären die Plagen von Banken und Börsen noch nicht genug, wurde das Land von einer Sintflut heimgesucht.
    Sie werden sich erinnern, sagen die Detektive. Während Südeuropa von wüstenhafter Dürre gepackt war, die Felder der Bauern mumifiziert neben den sprießenden Golfplätzen der Reichen, und während die Spekulanten dort letzte Wälder abfackelten, stand Deutschland unter Wasser. Ganze Städte mitsamt ihrem Weltkulturerbe – eine überstehende Macht aus Klimawandel und begradigten Flüssen, und vor allem der Osten war betroffen. Als Konetzke nach der Sintflut dann noch einmal rüberfuhr, um sein altes Feld zu inspizieren, konnte er sehen, daß die generelle Ostangst nochmals gestiegen war und die Menschen in einer Art ernüchtert waren, aus der sich kaum noch etwas schlagen ließ. Und oft genug traf er nur noch auf Armut, Suff und neue Ismen.
    Das also, sagen die Detektive, war das Klima, das sich von den eingestürzten Zwillingstürmen bis auf Edgar Konetzke auswirkte. Und aus dem heraus er nun an neuen Geschäften baldowerte.
    Der mit dem Schnauzer geht ans Eckfenster. Kurz darauf ertönt der Klang des Motors.
    Der andere schnappt nach dem Globus und läßt ihn bis zur Verfinsterung rotieren. Willem sieht den Sternenhimmel leuchten; Plejaden, Andromeda, das Band der Milchstraße. Die Kugel rollt ohne irgendwelche Anzeichen, und manchmal scheint sie zu stehen, und die Sterne wandern langsam gegen den Horizont.
    Wie funktioniert das?
    Der Detektiv macht eine Geste. Dann sagt er: Das ist ein echter Mercator.
    Ein Mercator?
    Bißchen aufgepeppt.
    Willem glaubt ihm nicht, und der andere lacht.
    Dann kommt der mit dem Schnauzer zurück. Hält den Globus an, setzt die Kamera ab und macht Notizen.
    Willem sagt: Wieder keine Neunzehn?
    Im Gegenteil.
    Und die Mutter?
    Dann lachen sie alle, und der mit dem Schnauzer läßt den Globus wieder laufen.
    Nach einer Zeit sagt Willem: Halten Sie Kontakt zu den Frauen in der Puffstraße?
    Wenns unseren Ermittlungen dient.
    Ich meine privat.
    Nur weil wir nicht der Typ für Fortpflanzung und trautes Heim sind, können Sie nicht

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