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Kronhardt

Titel: Kronhardt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ralph Dohrmann
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langsamer Prozeß. Viele Ossis taten sich damit schwer; sie verfielen in Nostalgie, während sich um sie herum alles Vertraute auflöste. Noch die über vierzig Jahre so verläßlichen Strukturen der kleinen Netzwerke zerbrachen, und viele hinkten dem Neuen ständig hinterher und waren zusätzlich überfordert mit der Beschleunigung, die nach der Wiedervereinigung die ganze Welt zu erfassen schien. Und schlimmer, auch bei ihnen sickerte es durch, daß das neue System nicht jeden automatisch zum Gewinner machte. Daß es ebenso wie das alte System ausnutzen mußte, selektieren und unterwerfen, um seinen Glanz zu halten, und viele Ossis verbitterten unter dieser Erkenntnis, viele kamen an den Suff, oder ihre Kinder ließen sich Glatzen rasieren.
    Konetzke beobachtete diese Entwicklung genau. Doch weil er finanziell abgepolstert war, zog er sich eine Weile zurück. Keine Bananen mehr, kein Behördenschmu, und meistens hing er einfach im Studio rum, trieb sich mit den Leuten durch angesagte Läden oder fuhr mit dem Porsche auf Besuch nach Bremerhaven. Ricarda war stets an seiner Seite, und ein- oder zweimal jetteten sie in die Dominikanische Republik.
    Und so ging Eddie ganz geschmeidig seine Pläne für neue Geschäfte an. Vor allem die Bananen hatten ihm offenbart, daß es legale Nischen gab. Und aus seiner Beobachtung und seiner Sektion des Ostkörpers heraus schlußfolgerte er, daß sie dort noch auf Jahre hinter der globalen Beschleunigung hinterherhinken würden. Also leistete er sich einen fetten Computer und machte sich früh mit den aufkommenden Möglichkeiten des Internets vertraut. Und während die Menschen vor allem in den ländlichen Regionen des Ostens noch nie etwas von graphischer Benutzeroberfläche, von www oder einer Darstellungssprache gehört hatten, hantierte Konetzke bereits jenseits der Modems mit den neuesten Hochgeschwindigkeitszugängen, spürte Nischen für seine Zwecke auf und erarbeitete sich einen notwendigen Wissensvorsprung.
    Als er dann mit der Engelschen das nächste Mal in den Osten fuhr, hatte er Subventionstöpfe dabei.
    Im Porsche klapperten sie Bürgermeister und Landräte ab, und Eddi kannte sich bestens aus mit Aufbau Ost und EU -Geldern. Er entwickelte ein Händchen dafür, wo sich was rausholen ließ, und hatte bald Referenzen; er vermittelte den Gemeinden die perfekte Begründung für ihren Antrag und kassierte nochmals bei Erfolg.
    Männer wie Konetzke haben den Vorgang der Einverleibung-Ost noch extra beschleunigt, mit bizarren Auswirkungen – mächtige Bowling-Center im Nichts oder die höchste Spaßbaddichte Europas, und bald ließ sich nicht mehr vertuschen, daß all der Zauber von Anfang an faul war. In Brüssel und sonstwo wurde wohl ein bißchen Staub aufgewirbelt, Fragen nach Sinn gestellt und nach versickerten Geldern, doch am Ende wars das auch schon. Deutschland war nicht irgendeine Republik, Deutschland war Weltgeschichte, und die deutsche Konjunktur kurbelte zuletzt noch ganz Europa mit an. Und wenn Bowling-Center im Nichts und ein Spaßbad neben dem anderen errichtet wurden, schrieben die Westfirmen Material und Arbeit auf dem freien Markt aus – Portugal, Griechenland, alle konnten sie partizipieren, während die Ossis selbst zusehen mußten, wie die Gesetze des freien Marktes Billiglöhner aus aller Welt in ihre Gemeinden spülten; während die Ossis selbst arbeitslos blieben und die hohen Eintrittsgelder für Bowling oder Spaßbad niemals aufbringen konnten. Doch noch für dieses Dilemma hatten Männer wie Konetzke eine Lösung parat, und sie überzeugten Bürgermeister und Landräte mit neuen Anträgen auf EU -Gelder, diesmal zur Durchsetzung einer Kampagne, um Touristen in die Gegend zu locken.
    Und so also zogen Konetzke und die Engelsche wiederum durch den Osten.
    Sein Vater ist Lottokönig gewesen, doch Konetzke selber entwickelte bald die Überzeugung, aus sich selbst heraus eine große Nummer zu sein. Er schaufelte Geld aus der Wiedervereinigung, steigerte seinen Konsum, definierte sich über die erste Reihe in Boxarenen oder Automobilsalons, er fuhr nach Baden-Baden oder Marbella und offenbarte nach und nach das ganze Parvenü-Erbe. Zeitweise scheint es eine Art Rausch gewesen zu sein, als ob die genetische Disposition auf Vollgas schaltete, und wo seine Eltern bereits an den noch überschaubaren Symbolen

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