Kronhardt
Information oder Logistik kann sie ihren Arbeitsplatz tatsächlich als Steuerhaus sehen, aus dem heraus sie die Dinge der Welt angeht. Manchmal läÃt sie sich sogar hinreiÃen zu Begriffen wie Freiheit oder Selbstbestimmung und ist bereit, sich einer Philosophie des wechselseitigen Fortschritts unterzuordnen, in der alle Teile sich zu einem geschlossenen Organismus verbinden können.
Als Willem eintritt, sieht sie nicht auf, grüÃt kaum, und für ihn ist es ein Anblick, als sei sie absorbiert zwischen Flüssigkristallen und elektromagnetischen Wellen und als zöge sie so den Kraftstoff für ihre Geschäfte. Sie klickert auf der Tastatur, rochiert zwischen Maus und Bildschirm, und ihre Augen scheinen mit der digitalen Welt zu flimmern. Es ist eine Sekunde, in der Willem einsieht, daà dieses verdammte Netz die Basis ist, die Laschek seinen Platz auch bei Barbara sichert. Dieser miese Knochen, meint er.
Dann dreht Barbara sich um und gibt ihm einen KuÃ. Was hast du gesagt?
Mein Problem mit Laschek. Ich werde dran arbeiten.
Ja, mach das. Und im gleichen Augenblick scheint sie schon wieder in den Bildschirm gesaugt.
Willem beobachtet sie eine Zeitlang. Dann meint er, daà auf diese Art eine Verschmelzung des Individuums mit der künstlich erzeugten Welt stattfindet, und wann immer man als Benutzer glaubt, die persönliche Freiheit bestehe noch unabhängig vom Netz, ist man in Wirklichkeit bereits so perfide verwickelt, daà gerade diese Verwicklungen wie Freiheit erscheinen.
Was hast du gesagt.
Nichts.
Dann dreht sie sich wieder um. Deine ewigen Litaneien. Und ich dachte, du hättest dich längst losgelöst von den Degenerationen deiner Mitmenschen.
Da kannst du sehen, wie diese künstlich generierten Felder noch auf einen wie mich einwirken. Man sollte diese Kräfte nicht unterschätzen.
Barbara lacht. Dann verändert sich ihr Ausdruck, und sie sagt: Sieh dir das hier mal an.
Und Willem kommt näher, und bald scheinen sie gemeinsam in den Bildschirm zu dringen.
Nach einer Weile sagt er: ScheiÃe. Aber Neuigkeiten sind das nicht.
Ich wuÃte nicht, daà das deutsche Innenleben so verdreckt ist.
Was hast du denn erwartet?
Sie lesen über die Assimilation ehemaliger Stasimitarbeiter und daà ein Zusammenhang besteht zwischen ehemaliger und jetziger Position. Daà sie immer tiefer in Bereiche vordringen, die grundsätzlich Integrität erfordern sollten â beispielsweise die Aufarbeitung der DDR -Spitzeleien, und daà daraus auf Protektion geschlossen werden kann. Auf Netzwerke, die Geschichte und Gegenwart und Zukunft zurechtbiegen.
Willem sagt: Im Grunde funktionierts hier nicht anders als damals in der Ostzone.
Das glaube ich zwar nicht, aber ich will auch nicht darüber diskutieren. Schau mal hier. Und sie klickt ein neues Fenster auf.
Das ist ja Katjas Mann.
Boris Bloch. Der Dissident und Musiker.
Wo wurde das aufgenommen?
Bei einem Konzert, nehme ich an.
Und jetzt schau mal hier.
Da ist er in Berlin.
Ja.
Und jetzt vor der Behörde.
Ja.
Und jetzt â das gibts doch nicht.
Doch. Boris beim Studieren der Akten.
ScheiÃe.
Katja glaubt an ganz gezielte Aktionen, um die alte Angst wiederzubeleben. Weil Boris bei seinen Nachforschungen womöglich jemanden aufdecken könnte, der nicht aufgedeckt werden will.
ScheiÃe. Weià er von diesen Bildern?
Barbara hebt die Arme. Dann sagt sie: Wenn derjenige, der dafür verantwortlich ist, will, daà er davon erfährt, läÃt sich das nicht verhindern. Katja wird es ihm also erzählen.
Und dann?
Keine Ahnung.
Wie können wir helfen, Barbara?
Indem wir helfen, wo wir können.
12
Das Gaubenfenster im Schlafzimmer ist nach Osten ausgerichtet, und wenn die Sonne hinter den Eichen steht, ziehen Schatten übers Bett, und weiches Licht flackert auf den Wänden. Erdige Gerüche steigen durchs Fenster, manchmal greift eine Brise ins Reetdach. Willem lauscht dem Rascheln der Blätter, den Vogelstimmen, und seine Hand gleitet unter Barbaras Decke. Als er ihre warme Haut berührt, dreht sie sich um, und bald schmiegt er sich an ihre Rückseite. So schlummern sie im zarten Licht, aus den Eichen eine Singdrossel, und als der Wecker anschlägt, löst Barbara sich behutsam aus seinem Griff. Eine Weile sitzt sie da; sieht aus dem Fenster, und die Nacht strömt aus ihrem Körper. Dann küÃt sie ihn, steht auf, und er kann die
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