Kronhardt
sehen konnten, schienen diese Seen stets unter der geisterhaften Kontrolle einer Obrigkeit, und sie grinsten über diese Methoden von Abschreckung und Befehl.
Das Land hinter dem Draht war aufgebrochen, jung und wild, und überall trieb es aus. Sie identifizierten die SchöÃlinge einer Sumpfzypresse und einer Korbweide, sie sahen einen Eisvogel, hörten Frösche, und rings das Leben gab ihnen ein Gefühl von Freiheit. Ein uraltes Gefühl, meinten sie, als wäre in ihrer Seele kein Platz für Grenzen.
Doch ganz plötzlich tauchten die Wächter auf, und schon sah die Sache anders aus. Freiheit und Befehlsverweigerung hatten in ihrer Welt keinen Platz, und sie schienen wie Vollstrecker einer Obrigkeit, die die Regeln dieser Welt aufstellte. Und damit war die Sache eindeutig: Willem und Schlosser erwischt, Willem und Schlosser Anarchisten, Ãbeltäter, Volksschädlinge, und die Wächter lieÃen ihre Hunde schnappen, und die Uniform vertausendfachte ihre Gestalt. Marsch! Ihr Bastarde!
Gegen diese Männer zu diskutieren war sinnlos. Wenn Willem und Schlosser mit Gestalten aus der Antike anfingen oder mit Seelenfrieden, fühlten sie sich erniedrigt und wurden boshaft, und wenn die Jungs ihnen mit Bürgerrechten und Freiheit kamen, hielten die Uniformen sie für Linke und wurden auch boshaft. Sie waren auf Gleichschaltung und überschaubare Enge abgestellt, sie hatten ihre Hunde, und ob Sumpfzypressen an einer Baggerkuhle gefuÃt hatten oder Eisvögel vorbeischauten, interessierte die Männer so wenig wie eine andere Galaxis. Was zählte, war das Dienstobjekt. Korrekt umstellt und beschildert, eine greifbare Wirklichkeit und biblisches Recht. Auch die Hunde kannten dieses Recht. FaÃ! riefen die Uniformen, greif!, und die Hunde wuÃten, was sie zu tun hatten. Unlängst Juden oder Südseeinsulaner oder heute am Baggersee, das war egal.
Also muÃten Willem und Schlosser lernen, diese Wächter zu umgehen; sie berechenbar zu machen, und anfangs schien es auch ganz einfach. Sie hatten schnell raus, daà diese Kerle zu festen Zeiten auftauchten, und auch ihre Autos parkten sie an bestimmten Plätzen. Sie zogen immer die gleiche Runde um den See, mal linksrum, mal rechts, und ihre Zigarettenpause machten sie stets an derselben Stelle. Schon bald erschienen sie völlig verstumpft, richtig faule Säcke, die allein darauf setzten, daà die Gewohnheit genügte. Daà die verkörperte Macht hinter Uniform und Emblem eine Wirkung hatte, die so wunderbar und unsichtbar griff wie Atombombenstrahlung.
Und apropos Emblem: Willem hatte natürlich längst erkannt, daà diese Dinger bei Kronhardt&Sohn gefertigt wurden, und er, der Sohn, wuÃte auch, in welcher Lade die Lochbandrolle für den Sicherheitsdienst lagerte. Er wuÃte, daà sich auf so einer Rolle gut fünfzehn Minuten Information befanden, die von einem Ende der Maschine zum anderen gesaugt wurden; achttausend Mal das Auf und Ab der Nadeln, achttausend Mal Vierkopf oder Achtkopf synchron geschaltet. Er wuÃte, welche Garne genommen wurden, welche Stärken, und kannte die Nummern der Farbtöne, die den gewünschten Trikoloreffekt verstärkten. Achttausend Stich eine Viertelstunde lang, rund fünfzig Fadenmeter pro Emblem, so ratterten die Maschinen, so wurden endlos Einheiten derselben Klasse produziert, endlos Replikationen einer Ureinheit.
Mit Sicherheit Deutschmeister, stand auf den Emblemen â und was für ein Name das war: Deutschmeister. Ein wahres Geschenk in diesem Land â und keine Frage, daà da drei Buchstaben und Trikolor auf der Hand lagen, daà Farben und Majuskeln bereits alles suggerierten: MSD . Nichtwahr, sagte Willem, MSD , das ist griffig, markant, das bleibt haften. Mit Sicherheit Deutschmeister. Und er erzählte, daà dieses MSD seine Idee gewesen war, daà er eines Tages beiläufig erwähnt hatte, Sicherheit und Objektschutz Deutschmeister wäre ziemlich schwach. Daà bei S.O.D. immer ein saurer Nachgeschmack bliebe â nein, hatte er gesagt, aus so einem Namen könnten die viel mehr machen. Und dann hatte die Mutter ihn beauftragt, mehr daraus zu machen, er hatte die Ureinheit auf Papier gemalt, die Mutter hatte das Papier dem Deutschmeister gezeigt, Deutschmeister war begeistert, die Mutter stolz, und Willem hatte sich ein freies Wochenende verdient.
Deutschmeister also. Ein solider Kunde, der solide Arbeit
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