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Kronhardt

Titel: Kronhardt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ralph Dohrmann
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schätzte und offen war für gegenseitige Gefälligkeiten. Und jetzt mußte Willem lernen, diese Uniformen, die sein Emblem trugen, berechenbar zu machen. Diese faulen Säcke, die am Ende selber schnappend und kurzgehalten an der Deutschmeister-Leine hingen.
    Also beobachteten die Jungs, berechneten und zogen ihre Schlüsse. Und tagelang hatten sie die Seen für sich. Die Wächter schienen im Trott verstumpft, und Willem ging in seinen Gedanken weiter. Ein Wink an den Deutschmeister, meinte er, ein Papier zur Steigerung seiner Personaleffizienz, und im Gegenzug würde der Alte seine Wächter ein für allemal von ihnen abziehen. Eine Art Persilschein, und mit dem Gehabe dieser verdammten Bande wäre ein für allemal Schluß. Als wäre man der Deutschmeister selbst, könnte man die Bande einfach wegschicken, und so berechneten die Jungs, spekulierten auf der faulen Haut, und alles schien so einfach.
    Doch plötzlich waren sie da.
    Aus dem Nichts, drei von ihnen, und mit den Hunden waren sie zu sechst. Sie hatten die Jungs umstellt. Keine Mätzchen, riefen sie, anziehen, riefen sie, mitkommen! Einer von ihnen sprach in ein Funkgerät, und aus dem Äther knackte es zurück. Saubande!, und Dalli!, und die Hunde bäumten auf.
    Was soll das?
    Schnauze!
    Und dann: Löcher im Zaun, gesprengte Ketten, das wird teuer. Und eine saftige Anzeige wegen Hausfriedensbruch gibts obendrauf, verdammte Bastarde. Das Funkgerät knackte, und die Wächter stießen sie voran. Die Jungs wie Opfer für einen fremden Gott – Hector! riefen die Wächter, und Harras!, und die Hunde fletschten wie besessen. Was glaubt ihr denn: Die ganze Zeit beobachtet haben wir euch, und sie schubsten die Jungs voran. Eine ganz eindeutige Sache, wie es schien, die Männer in Uniform, ihre Hunde, und Willem und Schlosser gestellt. Ein Mucks, ein Furz, und niemand konnte den Jungs noch helfen; aus Bosheit, aus Spaß, in so einer Situation konnten diese Männer alles tun und waren immer im Recht. Hector! Harras!, und das Funkgerät knackte.
    So zottelten die Jungs den Grubenrand hoch, die hell gebänderten Sedimente der Jahrtausende, vorbei an Disteln und Ginster – Dalli! und: Faule Bande! riefen die Männer. Über ihnen lachten die Dohlen, und voran blitzte eine Eidechse; und die Jungs hatten die Lage womöglich falsch eingeschätzt, während die Deutschmeister-Schergen von Anfang an ihren kühlen Plan auf diesen falschen Anschein hin ausgerichtet und die beiden gerade dann gestellt hatten, als sie am wenigsten damit rechneten. Und so mußte sich den Jungs eine Kluft offenbaren, und die Schergen trieben sie aus einer Realität hinein in eine andere.
    Weiter! Weiter! Und: Gleich laß ich den Harras! So ging es gegen den dünenhaften Rand, die nackten Füße im weißen Sand, im Treibgut der Eiszeit, und manchmal brachen Placken aus und rutschten abwärts. Der Wind langte in die Kolonien von Strandhafer, die Rispen zerstreuten das Licht; eine Lerche flog empor und ließ sich singend wieder fallen, und gegen die Wölkchen zogen Libellen ihre Linien. Es waren seltsame Bilder, und die Jungs stiegen voran wie Gefangene.
    Plötzlich verhielt Willem den Schritt. Eine Flußjungfer, sagte er.
    Die Wächter sagten: Schnauze und weiter!
    Willem sagte: Alfons Deutschmeister. Von 39 bis 45 bei der Wehrmacht, zwischenzeitlich abgestellt für die organisierte Betreuung zur Heimführung von Kriegsbeute, halbes Jahr Frankreich, anderthalb Jahre Nordafrika und Griechenland. Von den Engländern entnazifiziert, Ende der 40 er in Bremen als Hilfspolizist eingestellt gegen die Straßenkriminalität der elternlosen Jugendlichen. Unterstützte die Kampagne Jugend aufs Land, organisierte den Einsatz von Stadtkindern zur Ernte. Anfang der 50 er selbständig gemacht mit Sicherheit und Objektschutz Deutschmeister, damals ein Viermannbetrieb. Zehn Jahre später sind es zehnmal so viele, Deutschmeister lebt mittlerweile in einer Villa, seine Frau heißt Klara, die Hunde heißen Rex und Astor, und ich kann jederzeit bei ihm auftauchen und sagen, Mensch, Onkel Alfons, so geht das aber nicht, und Onkel Alfons wird sagen, der und der und der, die habe ich zur Baggerkuhle geschickt. Und dann, sagte Willem, wollen wir doch mal sehen, ob noch genug übrigbleibt, den Hector und den Harras so gut im Futter zu halten.
    Die Wächter standen mit offenen Mäulern.
    Willem

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