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Kronhardt

Titel: Kronhardt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ralph Dohrmann
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Sieger oder Besiegte, diese Menschen und ihre Strukturen erschienen immer als unantastbare Kraftfelder, während sie selbst jederzeit agieren konnten, wie sie wollten.
    Im Grunde, sagte Schlosser, kann man da schon lange nichts mehr machen.
    Ich weiß nicht.
    Wenns nur ein lokales Phänomen wär. Oder eine Laune der Zeit.
    Man kann ihre Welt verweigern.
    Eine bessere aufbauen lassen sie dich aber nicht.
    Man muß da anfangen, wo sie nicht hinkommen.
    Die kommen überallhin.
    Ich weiß nicht.
    Sie können vielleicht nicht in dich reinkommen. Aber sie können jederzeit kommen und dich in ihre Welt werfen.
    Die Jungs machten ein Gesicht, dann grinsten sie, und Willem orderte eine zweite Runde.
    Der Besitzer hieß Giacomo Macciavelli. Ein kleiner Mann, der mit seinem Namen sicher auf die Pauke hauen könnte. Doch er trat stets bescheiden auf und gab von Anfang an zu, nicht mit dem berühmten Florentiner verwandt zu sein.
    Von draußen kam Lachen und Johlen, ab und zu heulte ein Motor auf.
    Hinter der Theke stand Macciavellis Frau und stellte die Eisbecher zusammen. Hier ein bißchen Tuttifrutti, da ein bißchen Schokosoße oder ein Schirmchen obenauf.
    Der Italiener servierte und verbeugte sich vor den Jungs.
    Als Mädchen war meine Mutter mal in Dresden. Hat ein paar Ansichtskarten mitgebracht.
    Es gibt Bonzen, die lassen sich ihre Stadt im kleinen Maßstab nachbauen. Was weiß ich, eins zu zwanzig, und dann marschieren sie da durch, als hätten sie alle Kriege gewonnen.
    Macciavellis Frau wuchtete ein Tablett mit Pokalen und Kelchen. Eine frische, urwüchsige Schönheit, meinten die Jungs, und sie hatte kräftiges Haar, und unter ihren Achseln klebte es.
    Von der hätt ich gern n Abstrich.
    Ich auch.
    Nach einer Zeit sagte Willem: Vielleicht hab ich ja doch n De-fekt.
    Quatsch. Du hast einfach n schlappen Tag erwischt. Beim nächsten Mal wirds nur so zappeln.
    Mal sehn.
    Bei mir isses das gleiche. Den einen Tag kaum n müdes Zucken, und beim nächsten Mal totales Chaos. Wer weiß, was da für Regeln hinterstecken. Das is noch n weites Feld.
    Die Mädchen aus dem Kino tauchten auf. Sie ließen sich jetzt von den Burschen führen, die ziemlich stutzerhaft wirkten. Die Burschen zogen die Stühle und warteten, bis die Mädchen saßen. Dann schnippten sie nach Macciavelli.
    Schlosser sagte: Ich führ ne Art Tagebuch. Na ja, im Grunde isses eher ne Tabelle, und nach jedem Mal trag ich bestimmte Faktoren ein: Wetter, Mahlzeiten, Stimmung. So was. Und ganz wichtig, wem die Probe sozusagen gewidmet ist. Ich will Ursachen finden, warums einmal wie Teufel zuckt und andermal nicht.
    Da kann viel am Wirken sein.
    Jup.
    Gibts schon Tendenzen?
    Ständig.
    Auch in der Typenkurve?
    Unsere Hilde ist auf jeden Fall eine Konstante.
    Und die Jungs grinsten.
    Dann sagte Schlosser: Wenn ich meine Versuchsreihen lang genug aufrechterhalte, kann ich vielleicht Neuerungen in meinen Neigungen beobachten. Und vielleicht kann ich dann aus meinen Tabellen einen Zusammenhang herstellen – Prägung, Werdegang, Umwelt, was auch immer.
    Oder du stellst dereinst als alter Knochen einfach fest: einmal Hilde, immer Hilde.
    Draußen heulten die Motoren.
    Macciavelli kam und nahm die leeren Kelche.
    Noch zwei Limo, sagte Willem.
    Die beiden Stutzer machten große Gesten. Und sobald die Mädchen ihre Zigaretten ausgedrückt hatten, schnippten sie nach einem frischen Ascher.
    Im Schlaf wurde Willem von Bildern getrieben.
    Wie er mit Schlosser durch Karkassen und Tracheen stieg. Wie sie jederzeit fluchtbereit waren und zugleich eine Spur verfolgten. Trappen schlugen auf, Wölfe schnürten, und alle Zivilisation war auf ihrem Gipfel zusammengebrochen. Sie wußten nicht, ob es noch andere Menschen gab.
    So trieben sie durch Karkassen und Tracheen.
    Als vor ihnen eine Wendeltreppe erschien, die aufwärts in Licht und leeren Raum stach, sahen sie Hilde auf den Stufen sitzen. Sie verbarg ihre Nacktheit auf eine scheue Art, doch sie freute sich sehr, die Jungs zu sehen. Als sie aufstand, erschien sie glücklich, und ihre Schönheit strahlte. Dann sackte sie plötzlich zusammen; ihr Busen umkurvte die Spindel, die Beine flossen abwärts, und zuletzt kullerte ihr Kopf.
    Von oben, aus dem hellen Licht, schritt Patrizia von Kattenesch die Wendeltreppe herab. Sie trug ihr Haar zu Zöpfen geflochten, und während sie die Stufen nahm, schlug sie die Zöpfe auf zu

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