Krontenianer - Rendezvous am Bogen (German Edition)
auch verschmiertem Edelstahl. An sechs Stellen trugen titanfarbene Säulen die Decke. Mane saß festgekettet auf einem Stuhl aus kaltem Stahl. Seine Form glich dem Buchstaben X. Aus der Mitte klappte eine kleine Sitzfläche, auf der Mane gerade so Platz zum Sitzen fand. Ihre Arme waren nach oben, an die zwei Ausläufer geschnallt, die Beine waren unten angekettet. Mit gespreizten Beinen zu sitzen, war ihr peinlich, doch sie konnte es nicht ändern. Der Ort um den Stuhl wurde hell ausgeleuchtet. Nach den Tagen der Dunkelheit war es für Manes Augen viel zu hell. Erneut roch es nach Ammoniak, nicht angenehm, aber wenigstens nicht so intensiv wie in der Gefängniszelle. Die Waffenoffizierin schaute sich um und suchte erneut nach Hinweisen auf die Herkunft dieses Raumschiffs. Dass sie zurzeit den Weltraum durchquerte, schien die einzig sichere Erkenntnis zu sein. Anfangs hatte sie noch überlegt, ob man sie irgendwo auf dem Planeten Gaya verschleppt hatte. Doch hier konnte sie das Antriebssystem des Schiffes klar und eindeutig hören.
‚Der Raum scheint lange nicht gereinigt worden zu sein. Alles ist verschmutzt, überall liegt Unrat.’ Mane ekelte sich und vor allem hatte sie Angst, dieses Umfeld könne Krankheiten übertragen. Ihr Blick schweifte umher. Auf der rechten Seite ragten sechs große Schubfächer aus der Wand heraus, groß genug, um einen Menschen oder eine andere Lebensform darin zu lagern. Je zwei kleine Kontrolllampen blinkten abwechselnd an fünf der sechs Laden. Hinter sich konnte sie eine Zugangstür erkennen, daneben ein Sensorfeld mit verwischten Hieroglyphen darüber.
‚Vermutlich ist die Tür biometrisch gesichert.’
An der linken Seite waren zwei breite Ablagen befestigt. Daneben ein deaktivierter Bildschirm und davor eine große dreiecksförmige Eingabetafel mit ähnlichen, fremdartigen Schriftzeichen. Mane beugte sich so weit nach links, wie ihre Fesseln dies zuließen. Viel Spielraum hatte sie nicht, aber sie wollte einen eingehenden Blick auf die Symbole werfen. Das Tastenfeld war verschlissen und schimmerte blass, dennoch reichte eine kurze Analyse.
„Oh nein. Wo bin ich da hineingeraten!“ Was Mane sah, gefiel ihr nicht. Diese Symbole waren eindeutig spensanischer Herkunft. Regungslos saß sie da und rief sie sich in Erinnerung, was sie über die Spensaner wusste. Ein kriegerisches Volk, mit durchaus menschenähnlicher Anatomie und doch viel gröber, mit muskulösen Oberkörpern und kraftstrotzenden Beinen. Oft wirkten sie etwas unbeholfen, waren aber stark und mutig wie kaum eine andere Spezies.
Dieses Wissen besaß Mane aus einem Lebensformen-Kurs, den sie vor Jahren an einer krontenianischen Akademie besucht hatte. Sie konnte sich gut an diese Zeit erinnern. Sechs Jahre hatte sie in einer Institution verbracht, die ausschließlich Krontenianern zugänglich gemacht wurde. Die Heranwachsenden sollten zusammen leben, lernen, arbeiten und die Freizeit miteinander teilen, wie in einer großen Familie. Ein Projekt, das seinerzeit unerwartet schnell gescheitert war.
Der Planet Krontes, die Heimatwelt der Krontenianer, war seit Anbeginn von einem planetennahen Asteroidenfeld mit unzähligen Zwergplaneten umgeben. Seit die Raumfahrt florierte, siedelten verschiedene krontenianische Gruppen auf den kleinen Nachbarplaneten an, um autonome Kolonien in unmittelbarer Nähe zur Heimat zu gründen. Auf Kodaliar, einem dieser Zwergplaneten, war eine der größten Lernfabriken zur Formung der krontenianischen Elite entstanden. Der Planet verbrachte auf Grund seiner Umlaufbahn gut dreißig Tage in völliger Dunkelheit, hinzu kam sein Tag-Nacht-Rhythmus von über zweiundvierzig Stunden. So lebten die Bewohner lange Zeiträume in künstlicher Beleuchtung. Die massive Urbanisierung Kodaliars hatte im weiteren Verlauf das Wachstum einzelliger Organismen gefördert, die ohne Sonnenlicht gediehen und später mutierten. Eine folgende Epidemie konnte sich schnell ausbreiten, und obgleich sie unmittelbar diagnostiziert worden war, gelang es der krontenianische Medizin zu keiner Zeit, ein Gegenmittel zu erstellen. Kodaliar wurde aufgegeben. Mane hatte sich im vierten Lehrjahr befunden, als die Akademie geschlossen wurde. Sie und die verbleibenden Absolventen durften die Ausbildung nach einer achtwöchigen Pause in einer umgebauten Grünmagnat-Fabrik im Süden Krontes beenden. Mane hatte es sich nie eingestehen wollen, doch noch heute bekam sie in dauerhafter Dunkelheit Gefühle von Mutlosigkeit,
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