Krozair von Kregen
Lagerfeuer.
Die Jungfrau mit dem Vielfältigen Lächeln ließ ihr goldenes Licht auf uns fallen, während wir um die Flammen saßen und tranken. Einige sangen sogar. Morgen würden wir Rukker einen neuen Mast setzen und dann mit dem Wind nach Zandikar in See stechen.
Doch obwohl die Wogen der Fröhlichkeit hochschwappten, bemerkte ich, wie der eine oder andere Pirat unbehagliche Blicke auf die hellschimmernden Ruinen warf, die sich in der Nähe erhoben. Ein Mann, ein gewisser Fazmarl der Schnabel, erzählte zwischen zwei Liedern sogar, daß diese Ruinen seiner Meinung nach ein böses Wesen beherbergten, Oidrictzhn den Abscheulichen, an den er glaube, dessen Existenz er jedoch im hellen Licht Zairias abstreiten müsse.
Es gab natürlich auch Auseinandersetzungen, die nach den jeweiligen Ehrenvorstellungen geregelt werden mußten. Ich habe bisher über solche Dinge nur wenig gesprochen, abgesehen von einigen Bemerkungen über das Obi meiner Klansleute und die formellen Duelle in Hamal. Doch hier und jetzt gewannen diese präzisen Ehrenvorstellungen plötzlich eine hervorragende Bedeutung. Es begann mit Vax, der dem Dopa abgeschworen hatte – der sich aber dennoch heftig über seinen Cramph von Vater ausließ. Einer der Katakis, der Vax' Haßtiraden wahrscheinlich so satt hatte wie wir alle, brüllte eine Bemerkung und leerte ärgerlich seinen Weinkelch. Er hieß Athgar der Neemu, der angeblich sehr unter Rukkers Autorität litt. Geschmeidig fuhr Vax hoch, und in seinen Augen stand ein wildes Funkeln.
»Was hast du da gesagt, Athgar?«
Niemand hatte die Worte des Katakis verstanden; der Vorfall hätte sich hier und jetzt erledigen können.
Aber Athgar fuhr sich mit der Hand über das Gesicht und bellte einen Fluch auf Targ den Unberührbaren. Sein teuflisch boshaftes Katakigesicht richtete sich auf die schlanke Gestalt Vax'.
»Wenn dein Vater der Rast gewesen ist, als den du ihn hinstellst, dann muß deine Mutter eine blöde Kuh gewesen sein, ihn überhaupt zu heiraten und dich auf die Welt zu bringen, und ...«
Mehr bekam er nicht heraus.
Vax plusterte sich nicht erst auf. Er brüllte nicht los, er forderte Athgar nicht auf, seine Worte zu wiederholen. Mein Sohn Vax, der Jaidur von Valka, Prinz von Vallia war, ließ die Faust vorzucken und stieß Athgar den Kataki, auch Neemu genannt, kopfüber ins Feuer.
Als die erste Aufregung sich gelegt hatte, wurde Athgar von Rukkers Katakis festgehalten, während sich Vax im Griff von Duhrra und Nath dem Werfer wand. Kurz darauf war das Ritual von Herausforderung und Annahme abgewickelt, die Linien waren gezogen, die Trennung zwischen Kante und Spitze, zwischen Tod und Verstümmelung erfolgt, die Regeln und Besonderheiten in angemessener Feierlichkeit festgelegt. Der Kodex des Hyr Jikordur sollte Anwendung finden. Ich stand stumm und reglos dabei und beobachtete die Szene. Kein Sterblicher konnte noch auf die Angelegenheiten Einfluß nehmen – das Ergebnis lag in der Hand der Götter. Ehre und Leidenschaft hatten sich geäußert, Worte waren gesprochen, ein Hieb geführt worden. Jetzt mußte die Lösung nach Laune der Götter in Stahl und Blut gesucht werden.
Mondnebel lag über dem Lager, und die Flammen der Feuerstellen zuckten seltsam.
In den Sand wurden Linien gezogen.
Männer eilten von den anderen Feuern herbei und bildeten einen gewaltigen Kreis aus gespannt starrenden Gesichtern. Ein Jikordur gab es nicht oft und lieferte Gesprächsstoff für so manche Sennacht. Die Angelegenheit war ernst und schmeckte nach Tod.
In dem Augenblick, da die Herausforderung unvermeidlich wurde, war ich vorgetreten, um Athgar den Neemu selbst zu fordern und auf diese Weise meinen Sohn zu schützen. Aber das war unmöglich. Ideale und Ehre, so verzerrt und fehl am Platze sie auch sein mochten, diktierten nun das Handeln.
Es sollte ein Hyr Jikordur sein. Trotzdem versuchte ich mich einzuschalten: »Es soll keine Toten geben«, sagte ich laut. »Das Ergebnis soll mit dem ersten Blut festliegen.«
Athgar zog spöttisch die dünnen Katakilippen straff. »Wenn es ums erste Blut gehen soll, zartbesaiteter Dak, dann schlage ich dem Cramph dabei den Kopf ab.«
Und mein Sohn sagte auf seine blutrünstige Art, während ihn seine stille Überzeugungskraft noch verwundbarer und bitterer erscheinen ließ: »Es soll ein Kampf auf Leben und Tod sein, denn, bei Zim-Zair, mir ist doch alles egal.«
Auf diesen Krozairfluch konnte ich nichts erwidern. Ich mußte dabeistehen und zusehen, wie
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