Krozair von Kregen
besitzen. Der Abscheuliche ist auferstanden und wird erst zurückkehren, wenn er seinen Hunger gestillt hat.«
Es lag mir fern, dies alles als Aberglauben und Ängstlichkeit abzutun.
Auf Kregen wie auf der Erde gibt es dunklere Mythen, fürchterliche Geschichten über abscheuliche Wesen aus den Abgründen von Zeit und Raum. Normalerweise glaubt man solchen Geschichten nicht. Doch sie inmitten uralter Ruinen zu hören, aus einer Zeit, ehe der Mensch sich bemühte, das Feuer zu zähmen und sich mit der Steinaxt in seinen Höhleneingang zu hocken, während zugleich nackte Wilde im unruhigen Mondlicht tanzten, kreischend und singend, um einen Pfahl herum, der den blutigen Körper eines Ponsho hielt, immer näher an einen Steinblock heran, auf dem ein junges Mädchen lag ... wenn man unter solchen Umständen von schrecklichen Mythen über Dämonen und Teufeln hört, ist es gar nicht mehr schwer, daran zu glauben.
Der Abscheuliche war vertrieben worden, als das wahre Licht Zairs über dem Land aufstieg. Aber er war nicht tot. Er schlief und erwartete den Ruf. Er konnte geweckt werden und würde sich dann erst zufriedengeben, wenn er das Blut einer Jungfrau getrunken hatte. Daß es sich um eine weibliche Jungfrau handeln mußte, war nicht festgelegt, doch es schien angemessen zu sein. Ich mußte mich zurückhalten, um nicht mit der Ghittawrerklinge dazwischenzufahren.
»Die zairverfluchten Cramphs von Grodno rücken aus dem Westen vor. Sie vernichten alles, was sich ihnen in den Weg stellt. König Genods Armee ist unbesiegbar. Bald wird sie hier sein. All die kleinen Dörfer im Süden werden versklavt werden – aye! – und die großen Städte ebenfalls.«
»Da magst du recht haben, Fazmarl. Und diese irren Dummköpfe wollen nun einen längst gestorbenen Gott des Bösen wecken, um sich zu schützen? Wahnsinn!«
»Ja, sie sind wahnsinnig. Aber der Wahnsinn fällt in solchen Zeiten nicht schwer.«
Rukker kroch herbei. Er wirkte so kampflüstern wie eh und je, doch ich spürte seine Unsicherheit. Warum hätte er sonst kriechen sollen?
»Wovon redet dieser Onker, Dak?«
Ich sagte ihm, daß die Hiesigen aus Angst vor den Grodnims ein Monstrum des Bösen wecken wollen, ein Ungeheuer aus Zeit und Raum, ein Geschöpf, das uns alle mit seinem Feueratem davonschwemmen könnte. Rukker knurrte etwas und unterdrückte das ungeduldige Zucken seines Schwanzes.
»Wir müssen an das Mädchen denken«, sagte ich.
»Sie ist eine Apim«, stellte der Kataki fest.
»Natürlich. Aber wäre sie eine Fristle oder Numim, eine Sylvie oder ein Mädchen aus Balintol, ich glaube nicht, daß das einen großen Unterschied machen würde. Oder?«
Zitternd sagte Fazmarl: »Sie wären unwichtig!«
Ich schlug ihn nicht. Ich mußte mit diesem Abscheu vor Diffs fertigwerden, die bei den Apims von Zairia weit verbreitet war. Ich hob den Kopf und blickte über die Büsche. Die blasphemische Zeremonie ging ihrem fürchterlichen Höhepunkt entgegen.
Paare tanzten im zuckenden Fackelschein, hingegeben, verzückt, in Trance. Die Aura des Bösen lastete über allem. Fazmarl begann kopfschüttelnd zurückzukriechen. Er hatte zu schluchzen begonnen. Ich ließ ihn gehen.
Ich wandte mich an Rukker. »Hier scheint mir ein kleines Jikai angebracht, Kataki.«
»Das mag schon sein, bei dem dreifachen Schwanz des Unberührbaren Targ! Diese Sache geht mich aber nichts an!«
»Hier spielt sich nichts Übernatürliches ab. Das ist ein Mann in Tierhaut mit einer Fratzenmaske.«
»Warum hältst du dich dann noch zurück?«
Sein Schwanz begann zu zucken. Ich zog das Schwert. Rukker sagte: »Du kannst dich ja meinetwegen umbringen lassen. Siehst du die Bogenschützen nicht?«
»Aye. Das beweist, daß diese Leute nicht nur okkulte Gefahren fürchten, sondern auch physische.«
»Dann sollst du sie auch allein herausfordern, bei Takroti!«
Er hätte sich wohl umgedreht und seine Leute mitgenommen. Aber ich hielt Rukker fest. Die Tanzenden da draußen, die meisten vermutlich von Dopa trunken, drängten sich nahe an den Steinblock heran.
»Wäre es kein Jikai, dort hinauszustürzen und den Leuten ihre Freude zu nehmen? Würde dir das keinen Spaß machen?«
Rukkers Arm zitterte unter meiner Hand. Ich spürte die sich verkrampfenden Muskeln unter dem Kettenhemd. Er zischte die Worte hinaus, das Gesicht dämonisch verzerrt: »Nimm die Hand fort! Ich spieße dich auf, Apim!«
»Dazu mußt du mich erst fangen, Kataki«, sagte ich, stand auf und lief durch den
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