Krúdy, G u. Szerb, A u. Szép, E
Pferderücken zur Weinlese zu reisen und heutzutage nur noch als Stahlstich in der Beilage eines Modejournals zu erscheinen, mit weihwasserreinen, Pfingstrosenduft hauchenden, heiligenbildchengleichen Damen zu lustwandeln; ein Strumpfband zur Erinnerung geschenkt oder ein mit
Fanny
besticktes Schnupftüchlein verehrt zu bekommen; in der einstigen Váci-Straße ein Dandy zu sein, ein abenteuerlustiger, launiger, glücklicher oder unglücklicher Ritter der Frauen; hartnäckiger Spieler im
Türkischen Kaiser
, ein mitternächtliches Gespenst in den dunklen, verwinkelten Gässchen der Inneren Stadt, wo Licht durch Fenstergitter sickert und die Hand auf weißem Kissen ein Gedichtbändchen hält.
Ach, wie wäre es schön gewesen, im alten, glücklichen, friedlichen und naiven Ungarn zu leben, Ostern im Kutschgespann durch frühlingsgrüne Felder zu reisen. Und ins Heute nur gelegentlich zurückzukehren, um im großen Wirrwarr Ausschau zu halten und sich im Schneesturm beruhigt zurückzuziehen hinter die eiserne Tür der Grabkammer.
Ach, wie schön wäre es, in fünfzig Jahren zu leben …
In einer Mondnacht – der Mond altert in fünfzig Jahren gewiss nicht sehr, leuchtet dem herumirrenden Kuruzenkrieger wie dem rebellierenden Proviantoffizier auf dem Soldatenfriedhof von Buda – einmal der Krypta zu entfliehen, wo du im schwarzen Salonrock, mit weißem Hemd und kurzen Seidenstrümpfen, den Rosenkranz zwischen den erstarrten Fingern, gelegen; mit seidenen Pantoffeln, in weiten Flatterhosen, das schwarze Seidenkäppi auf dem Kopf, das an der Schläfe den Einschuss verdeckt, wo dich die tödliche Kugel getroffen – einmal in die Stadt hineinschlendern, schauen, nach welcher Mode man sich heute kleidet und was sie in den Theatern spielen.
An der Mautstelle ist der Zöllner eingenickt, man kann unbemerkt passieren, seinen ergrauten Sohn, die silberlockige Tochter von ferne betrachten, nach den unrühmlichen Geschichten der dir fremd gewordenen Enkel sehen!
Gewiss ist in der nächtlichen Stadt viel Licht eingekehrt, und staunend wirst du unter fremden, nie gesehenen Menschenauf dir unbekannten Straßen stehen, wie der Söldner, der durch sämtliche Schlachten des Dreißigjährigen Krieges marschiert ist und dann vor der Jakobskirche in Leutschau stand. Der eine oder andere Rücken, Kopf oder Gang kommt dir vielleicht noch irgendwie vertraut vor: Seine Exzellenz der Stadtrichter Cornides oder der Pester Löwe Jenő Kohner? Eine vorbeihuschende Dame mit der gleichen Reiherfeder am Hut, wie sie Erzsébet Paulay trug, nur findest du unter dem Hut nicht mehr ihr elegisches Antlitz. Damen und Salonlöwen tummeln sich vor dem Opernhaus, drinnen im
Sibirischen Nachtasyl
produziert sich ein neuer Tenor, dreht wirbelnd die Ballerina des gastierenden Zarenballetts ihre Pirouetten auf den Brettern. Mit auf dem Rücken verschränkten Händen schlendert Herr Wiesendorf zum Hintereingang hinaus, um sich nach getaner Arbeit in seinem Stammlokal den Bierdurst zu löschen, doch rate ich, dem bekannten Fagottisten nicht freundschaftlich auf die Schulter zu tippen, befremdet und mit abweisenden Augen würde er dich, deine altmodische Garderobe mustern. Lautes Lachen, reges Geplauder auf dem Boulevard des berühmten Andrássy, die Damen kokettieren mit ihren Blicken, denn es ist ihr Metier, die Hüte nach der Altwiener Mode erinnern in der Form an ein Fluggerät, ihre Röcke, die Schühchen, die Handschuhe verströmen süßlichen Duft. In der Seitengasse ist Arm in Arm die Liebe unterwegs, und am verkehrsreichen Oktogon macht der Schutzmann einem mittelalterlichen Habsburg-Gespann den Weg frei, die spanische Hofetikette lebt und ist unverwüstlich.
Du hältst inne, beobachtest, lauschst und stellst erstaunt fest, keiner redet mehr vom berühmten großen Krieg, vonLimanowa, Görz, Dukla, Reims, vom U-12, Edward Grey und Verdun – doch schon zu deinen Lebzeiten während des langen Krieges hast du erfahren, dass die Menschen manche herzerschütternden wichtigen Ereignisse zu den Jahrestagen nur noch mit lauem Interesse zur Kenntnis genommen haben. Du lebtest noch, als Przemyśl schon zum Jubiläum wurde, nahmst an der Trauermesse teil, die zum Gedenken an die heldenhaften Husaren von Limanowa gelesen wurde; schon im zweiten Kriegsjahr begann man mit den sonderbaren Jahrestagen, die der gewissenhafte Zeitungsschreiber zu berücksichtigen und derer er in einem kurzen wehmütigen Artikel zu gedenken hatte. Doch in fünfzig Jahren wird nur noch
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