Krúdy, G u. Szerb, A u. Szép, E
die Schuljugend die einst so geläufigen Namen der Schauplätze des Krieges kennen; da und dort mag es noch einen geben, der mit achtzehn beim Sturm auf den galizischen Brückenkopf dabei war, aber mit dem großen Zeitabstand sieht auch er dann die Ereignisse von heute wie die alten Honvéds des 48er-Freiheitskriegs die Schlacht bei Mór, General Görgeys roten Überwurf und Kossuths vielsagende Augen … Betagte Husaren und gichtgeplagte Infanteristen im Alter von siebzig und achtzig gedenken so des Kampfes am Uzsok-Pass, wie sich mein Urahn an die Erhebung der Stände gegen Napoleon bei Raab erinnert, vor allem aber, dort, diesseits der Donau, an die weißen Füßchen einer jungen Frau. Und die Hinkenden, Krummen unter den Alten werden auch in fünfzig Jahren nicht eingestehen, dass sie sich den Beinbruch von damals beim Sprung von der Mauer zuzogen, weil sie aus dem Gemach einer Frau fliehen mussten, dafür werden sie ein russisches oder italienisches Schrapnell in Erinnerung haben. Und die Geschichtslehrer, die Memoirenschreiber, die Sammler von Zeugnissen und die Bücherwürmer, sie tauchen in ihre Erinnerungen und die Ereignisse dieses Krieges ein und kehren beladen mit den seltsamsten Begebenheiten ins Leben zurück, um dann das Abenteuer in Krakau oder Lemberg, die traurige sibirische Gefangenschaft, die Sache mit der polnischen Lehrerin oder der französischen Gräfin auf der Flucht zu notieren.
Was wird man wohl über das heutige Budapest zu sagen wissen? Über die Soldaten, Generäle, Schauspieler, modischen Autoren, über Graf Tisza und die legendären Helden des Krieges?
Ach, wäre es schön, in fünfzig Jahren, angetan mit dem nach feuchter Gruft riechenden Gehrock, auf dem Andrássy-Boulevard spazieren zu gehen!
(1916, im zweiten Jahr des Krieges)
Nagybotos Viola
Ernő, denn so hieß er, wie kränkliche kleine Buben, die noch im Alter von fünfzehn lange Mädchenhaare und breite Krägelchen tragen und ihren Freund auf den Mund küssen – diesen Namen nahm er im Alter von zwanzig an, unter ihm hat er sich in diesem Land circa zweitausend Frauen vorgestellt, im Winter zeichnete er ihn in den jungfräulichen Schnee, kratzte ihn in den Raureif, der das Fensterglas überzog, schnörkelte ihn schwungvoll unter Liebesbriefe, deren inbrünstige Geständnisse er sich aus Dichterzeilen zusammenbastelte und die er kleinen Zimmermädchen mit derselben Grandezza widmete wie begüterten älteren Damen – als wollte er ihnen mit dem Namenszug allein sein Herz öffnen und seine Liebe gestehen.
Ernő Nagybotos Viola war einst im Ordenshaus der Societas Jesu von Szatmár Liebling der Fratres gewesen, und der Superior Thomas hatte ernsthaft erwogen, den begabten Jüngling mit der Zeit vielleicht in die Reihen der Diener Jesu aufzunehmen: An Sonntagen wurden Ernő stets mehr Heiligenbildchen geschenkt als den anderen Zöglingen; infolgedessen beanspruchte er später von den Frauen, vom Leben, ja sogar vom Wetter mehr als sonst einer. Er wurde wegen Heiratsschwindels, später wegen widerrechtlichen Tragens der Ordenskleidung verfolgt; von Schmuckhändlern ergaunerte er sich Edelsteine, von Wucherern Geld, von Bürgern mit schönen Gattinnen Freundschaft; vielleicht weilte er einst auch in Vác, dieser freundlichen Bischofsstadt, länger, als ein gewöhnlicher Stadtbesuch in Anspruch nimmt; unter Eisenbahnwaggons reiste er von einem Land ins andere; die französischen Karten verstand er meisterhaft zu mischen; doch für einen Preis schoss er auch die fliegenden Tauben ab; in den Wäldern Sachsens tötete er einmal aus Notwehr, und wenn er gelegentlich mehr getrunken hatte, als er vertrug, schilderte er sogar fremden Leuten Einzelheiten dieser Tat; Frauen, die sich widersetzten – Frauen verweigern sich dann und wann, weil sie sich selbst daran ergötzen können –, durften sich zur Strafe die Geschichte vom schrecklichen Tod der drei Frauen im Oberland anhören, die Ernő, eben weil sie sich ihm verweigerten, in den Fluss geworfen hatte, wenngleich auch anständige Familienväter und ältere Chorherren solche Histörchen beim Schöntun einer Begehrten vorzubringen pflegten; von seiner Großmutter erzählte er, sie sei 1849 die Geliebte des russischen Generals Paskewitsch gewesen, während ein junger Offizier, der ein Verwandter der Königin Victoria war, seine Mutter in ein altes schottisches Jagdschloss entführt haben soll (schade nur, dass viele die beiden alten Weiblein von den hinteren Reihen der
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