Krúdy, G u. Szerb, A u. Szép, E
leben begännen und die Kontakt miteinander Suchenden sich mit den Zeichen ihrer Zunft präsentieren würden!
Der Krämer mit der Dezimalwaage, der Anwalt mit dem Gesetzbuch, die Oma mit dem Strickzeug, Vázsonyi mit seiner eisernen Faust, mit Brille der Tisza, die Bürgerwehr mit der Hellebarde, die Dame mit ihrem neuen Hut, der Held des gestrigen Theaterabends in schneeweißer Reithose, die Schulmädchen mit ihren Ranzen, mit den Kursen die Börsianer, Feldzeugmeister Höfer mit dem Säbel, der Kanzler mit Helm, das niemals endende Geschwätz der Pester besten Freundinnen wie Kunstblumen, die Laternen der Lohndroschken als Wahrzeichen für ein Rendezvous, mit ihren Hausnummern die Garçon-Absteigen und das blutunterlaufene Auge für die betrogene Frau und den hintergangenen Mann … und noch so manches mehr wäre in der Dämmerung des winterlich ausklingenden Jahres unter den Masten der Telefondrähte zu erspähen. Wann wird wohl der friedliche Stern von Bethlehem zwischen den Leitungen aufleuchten, mit dem auf unsichtbaren Taubenschwingen die lang ersehnte Botschaft zu uns gelangt? …
Das Jahr ist zu Ende – die Seelenhirten listen ihre Toten auf, die in diesem Jahr zu bestatten waren –, und schon zum dritten Mal rollt Silvesters holperndes Gefährt die Landstraße hinunter, um sogleich hinter den Hügeln zu entschwinden: Die Gottesdiener stehen ratlos vor ihren Kirchenregistern. Denn wie könnte man mit Gewissheit sagen, wer von den Lebenden noch am Leben und wer unter den Verstorbenen schon tot ist? Die Grabregister sind dünner geworden, die Totengräber in Stadt und Land sitzen meist in den Schenken herum, und auch der Alt der Kantoren ist kaum mehr zu vernehmen, denn die würdige Beisetzung in der Heimat ist rar geworden.
Wenn sich in den stillen Nachtstunden die Fernsprechdrähte gelegentlich über die treulosen Damen der Stadt austauschen, über die Eitlen, die Betrüger, über Gute und über die Engel – denn diese metallenen Fäden da oben wissen ja mehr über Budapests Geheimnisse als einst der hinkende Teufel im Turm über Madrid –, dann erinnern sie sich vielleicht auch an die, deren Stimmen sie nie mehr transportieren werden. Auch wenn man sie noch gestern singend befördert und dann auf dem Sterbebett verabschiedet hat (ob wohl auch Sterbende telefonieren?). Sie sind fortgegangen, hinaus aus der Stadt, und haben sich ins Gras gelegt, während die anderen weitertelefonierten, die Eisenbahndämme entlang.
In diesen Tagen ist die alte Dame, die in Budapest am meisten telefoniert hat, endgültig verstummt. Sie hieß Júlia Matkovics und war fast dreißig Jahre in der Telefonvermittlung tätig. Gern hätte ich sie gekannt und mich mit ihr unterhalten, bevor sie starb.
Was diese Frau in den dreißig Jahren wohl alles mit angehört hat, worüber die Leute in Budapest reden! Mit der Telefonmuschel in der Hand konnte sie der sich rapide entwickelnden, wachsenden Großstadt gleichsam ins Maul schauen, wie eine Mutter im Mund ihres Sprösslings das Zahnen verfolgt. Sie war es, die an einem Tag im Januar als Erste in Pest die für den Ministerpräsidenten bestimmte Kunde vom Tod des Kronprinzen Rudolf vernommen hat. Kossuth, die Königin Elisabeth starben, und das Fräulein vom Fernsprechamt schickte die Meldung von ihrem Ableben durch die Leitungen. In der Sándor-Gasse hielt Apponyi seine denkwürdigen Reden, und die Gräfinnen informierten sich gegenseitig über den Stand der Abstimmungzu den kirchenpolitischen Anträgen im Oberhaus. Sie hat die Stimme des Ministerpräsidenten Wekerle zum Zeitpunkt seines Sturzes wie bei seiner Wiedereinsetzung gehört. Trauernachrichten, Freudenbotschaften, die Kunde vom gezogenen Gewinnlos, von glücklichen Eheschließungen, Liebschaften, Kriegen, Sorgen und Kümmernissen drangen an ihr Ohr. Sie hörte tausend und abertausend menschliche Stimmen in Augenblicken des Leids wie der unerwarteten Freude. Keiner hat die unzähligen Modulationen der menschlichen Stimme so gut gekannt wie die alte Júlia Matkovics. Sie hörte das Spiel des Schmerzes auf der G-Saite , das Rot des freudigen Lachens, die grell gefärbten Lügen des gelangweilten Zeitungsschreibers über eine nachmittägliche Fuchsjagd, auch das Kichern der Tänzerinnen, die ihre Kavaliere suchten, die miteinander telefonierenden Damen der Nachtcafés, erfuhr, dass der Pfarrer gerufen wurde, um einem Kranken die Letzte Ölung zu geben, wie jemand die Rettung alarmierte, inzwischen lag eine Frau in den
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