Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Krúdy, G u. Szerb, A u. Szép, E

Krúdy, G u. Szerb, A u. Szép, E

Titel: Krúdy, G u. Szerb, A u. Szép, E Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ich liebte eine schöne Frau: Miniaturen
Vom Netzwerk:
sie alle zu einer Familie. Der Ober, der hier bediente, war einst Volksliedsänger im
Flóra
und damals im Kreis der Damen sehr beliebt gewesen, am Eingang tat ein Fiakerkutscher im Ruhestand Dienst als Portier, weil ihm seine Rösser infolge der beklagenswerten Wirtschaftslage verendet waren, und wenn die Uhr Mitternacht schlug, erhoben sich die Herren, die Damen räumten ihre Handarbeiten weg, Frau Hrabecs, die Komikerin, stellte das Erzählen von Geschichten ein, die sie in Tausend-und-eine-Nacht-Manier allabendlich im
Zwetschgenbaum
über die Jugendtage der alten Herren zum Besten gab, und sie rief Hrabecs, den eisgrauen Dirigenten – er war auch der einst gefeierte Komponist der Operette ›Kätzchen‹ – vom Podium. Die alten Grafen watschelten zu ihren Kutschen, und nach und nach verloren sich die Laternen der Fiaker in den engen Gassen der Innenstadt. Blanka warf sich ihr gestreiftes Umhängetuch um die Schultern, schloss das Kassabuch in der Schublade ein und wandte sich mit ihrer warmen, dunklen Stimme an Nagybotos:
    »Nun, mein Lieber, warum wollen Sie jetzt wieder Ihrem Leben ein Ende setzen?«
    Nagybotos pflegte Frauen selten die Wahrheit zu sagen – meist vermied er es, ihnen seine Gedanken zu verraten –, doch Blanka war eine alte Liebe von ihm. Seit fünfzehn Jahren liebte sie Nagybotos, hoffnungslos, wehmütig, schicksalhaft, wie einen, der mit einem unheilbaren körperlichen Schaden geboren wurde, an dessen Gebrechen man sich aber allmählich gewöhnt wie Halbblinde an ihre Behinderung. Nagybotos war fast überzeugt davon, dass Blanka vor dem Schlafengehen stets für ihn betete und ihr tagsüber gelegentlich ein leiser Seufzer über die Lippen kam, der sich verflüchtigte wie ein warmer Hauch an der kalten Fensterscheibe. Vielleicht hätte sie sich sogar vom Besitzer eines Nachtlokals heiraten lassen, wenn Nagybotos es ihr befohlen hätte.
    »Wieder glaubt eine Frau, dass ich die unbekannte Pester Leiche war, die die Polizei in dem Dorf an der Theiß aus dem Wasser gefischt hat. Vielleicht macht es sie aber auch nervös, dass ich noch am Leben sein könnte«, antwortete Nagybotos und streichelte das Tuch über Blankas Schulter.
    »Was haben Sie ihr getan? Haben Sie sie betrogen?«
    Nagybotos hätte sich, wie ein reumütiger Sünder, beinahe verraten:
    »Ich glaube, dass nun schon alles in Ordnung ist. Es gibt eine Frau, die mich unsterblich liebt und glücklich macht … Stellen Sie sich vor: Sie sagte, dass sie schon Tag und Nacht an mich denkt. So zart waren ihre Hände, ihr Hals, die Füße; weil sie es wollte, weinte ich, lachte, wenn ihr danach war. Ich verhielt mich wie ein junger Advokat. Arrangierte nächtliche Ständchen unter ihrem Fenster.«
    Blanka streichelte die Vergissmeinnicht-Kränzchen auf ihrem Rock.
    »Mein armer Freund, wie oft habe ich Ihnen schon gesagt, dass Frauen mehr auf die Liebe der Männer angewiesen sind als umgekehrt. Jede Frau muss dem Mann die Hände küssen, wenn er sie für würdig hält, sie anzusprechen. Sie wissen ja, wie niederträchtig Frauen sein können. Jede, die das dreißigste Lebensjahr vollendet hat, könnte man ohne Verhör richten. So viel hat sie sich bis dahin schon an den Männern versündigt.«
    Nagybotos nickte zustimmend:
    »Blanka, Sie sind das einzige anständige Geschöpf auf dieser Welt.«
    Das verblühte Mädchen lächelte sanft und traurig:
    »Ach, um mich geht es nicht mehr, ich bin mit meinem Leben ja inzwischen einigermaßen zurechtgekommen. Habe keine Sehnsüchte, keine Hoffnungen mehr. Sitze wie ein alter Vogel im Baumwipfel und habe meine Freude daran, dass andere sich noch freuen können über das Leben, über die Liebe.«
    »Wissen Sie, was ich bin? Ein verwelkter Brautstrauß, den die Enkelinnen auf Großmutters Grab legen. Ein staubiger Spiegel in einem verlassenen Zimmer, keiner öffnet mehr die Tür, weil der Hausherr in die Fremde gezogen ist. Ein altes Frauenporträt in einem verwaisten Haus, und niemand betrachtet es am Nachmittag, in Gedanken versunken. Ich bin ein abgelegtes Ballkleid, das auf dem Dachboden wartet, bis alles unter den Hammer kommt und die, die es einst trug, auf den Friedhof umgezogen ist.«
    Nagybotos hatte sein Haupt an die Schulter des Mädchens gelehnt und streichelte gedankenverloren ihr Gesicht, wie man ein treues Pferd zu tätscheln pflegt.
    »Haben Sie sie sehr geliebt?«, fragte sie etwas abwesend und mit geschlossenen Augen.
    »Du bist es doch, die ich liebe«, antwortete Nagybotos

Weitere Kostenlose Bücher