Krúdy, G u. Szerb, A u. Szép, E
Heliotrops an. Nun, sagte ich mir, da können wir uns doch sogleich auf das Feld der geschätzten Literatur begeben:
»Erlauben Sie mir, gnädige Frau, dass ich Ihnen zu dieser Vorspeise ein großes Kompliment mache. Sie sieht so köstlich aus, wie sie schmeckt. Und wie richtig doch der Gedanke ist, dass in der kulinarischen Wissenschaft die Ästhetik ebenfalls ihren Stellenwert haben muss. Dass unsere Speisen auch, im doppelten Wortsinn, auf unseren Geschmackssinn einwirken sollten. In diesem Sinne äußert sich wohl auch Petronius im ›Gastmahl des Trimalchio‹, in dem er über die Küche des Trimalchio schreibt.«
Frau Valutay schob die Unterlippe hoch, gleichzeitig zog sie auch ihre runde Schulter etwas nach oben: »Wissen Sie, ich gebe mich nicht viel mit der Küche ab. Verlasse mich da ganz auf meine Köchin. Sie war zuvor übrigens sieben Jahre beim Grafen Esterházy. Ich glaube, die Esterházys sind ein ausreichend anspruchsvolles Haus.«
Na, da war ich wohl auf dem falschen Dampfer. Ihre Wohlgeboren, die Seneca lateinisch liest, ist sicher zu stolz, um den mit kulinarischen Fragen befassten Petronius zur Hand zu nehmen.
Die gnädige Frau war übrigens auf eine ausgesprochen charmante Weise nett zu mir. Sie konnte mir von allem gar nicht genug anbieten, um mir gefällig zu sein. Als sie mir beim ersten Schluck ihr Weinglas zum Anstoßen entgegenhielt, strömte von ihrer Hand eine ganze
Masque-Rouge - Wolke
in meine Nase. Diesen magischen Duft verwendet sie also. Stürmische Leidenschaften müssen diese volle weiße Physis erschüttern. Die Augen der Gnädigen, hinter denen sich jeder Traum, jede Überlegenheit, jede Sehnsucht, jeder Schmerz tief eingegraben haben, schweifen mit gemessenem Interesse nach links und rechts über die Gäste, hinunter bis ans andere Ende der Tafel, wo vis-à-vis von ihr mit seinem öden, vertrockneten Schädel der wohlgeborene Herr Valutay wie ein lebloser Hering sitzt, dem man eine glänzende Hornbrille aufgesetzt hat, um ihm etwas Leben ins Gesicht zu mogeln.
Die arme Frau brauchte natürlich Senecas tröstende Worte.
Gewiss hat dieses große Quantum Frau auch musikalisch seine Ansprüche. Versuchen wir es also mit der Musik, das könnte einfacher sein.
»Vermutlich waren Sie letzte Woche auch in dem Ravel-Konzert? Wie stehen Sie, Gnädigste, zu dem so überstrapazierten ›Bolero‹?«
Frau Valutay lächelte mich an, zögerte. Dann senkte sie die Wimpern und schwenkte den Kopf hin und her.
»Verehrtester«, sagte sie, »ich kann Ihnen sagen, all diese Konzerte geben mir weniger als ein einziger Zigeuner. Den kleinen Magyari bete ich geradezu an. Er ist einfach himmlisch!«
Wie peinlich. Diese Dame foppt mich. Sicher hat sie César Franck und Palestrina längst hinter sich, und vielleicht sind auch Bach und Brahms für sie schon passé, wie sollte sie sich da für Ravel erwärmen. Und Ravel ist schließlich kein so großes Ereignis, auch dirigieren kann er nicht, in der Konzertpause hat ihn ein mit mir befreundeter Musikkritiker ziemlich heruntergemacht. Es war nicht passend, der Dame jetzt mit Ravel zu kommen.
Nach den Backhendln habe ich wieder die Literatur hervorgezerrt. Ich musste meinen Fehlgriff irgendwie wiedergutmachen.
Glaube, Wells müsste ihr doch vielleicht imponieren? Sein neues Buch wird jetzt viel besprochen.
»Ach, liebe gnädige Frau, mich würde sehr interessieren, wie Sie über Wells denken?«
»Wells? Ist das ein Pferd oder ein Jockey?«
Ich bekam einen roten Kopf. Und begann zu stottern:
»Großer Gott … Er ist doch ein ernst zu nehmender Schriftsteller …«
Mit vernichtendem Gleichmut erwiderte die Gnädige:
»Kenne ich nicht. Ich lese gerade ein prachtvolles Buch von Vicky Baum.«
Ich war verwirrt und sprachlos. Vicky Baum. Narrt sie mich, oder ist das ihr Ernst? Sie liest Vicky Baum. Gut, ja, was soll ein dermaßen verrückter Engländer wie dieser Wells einer so hochgebildeten beziehungsweise tiefschürfenden Person schon geben, die ihren Intellekt mit Autoren wie Seneca, Aristoteles, vielleicht sogar Plato und Plotin füttert? Sie muss gelegentlich vom Ringen ihrer Seele verschnaufen, ihr Gehirn ausruhen, da flieht sie eben zu Vicky Baum. Ich verstehe sie. Fange sogar an, den Zigeunerprimas zu begreifen.
Die gnädige Frau hatte sich inzwischen übrigens von mir abgewandt und sich mit heldenhafter Selbstverleugnung ins Gespräch ihrer Nachbarn eingeschaltet. Da behandelte man soeben die vertrottelte, gefräßige Baronin, die
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