Krúdy, G u. Szerb, A u. Szép, E
und Trank, allerdings von gewisser Erlesenheit, den Magen vollzuschlagen.
Nun ja, doch da hatte ich auch schon den Frauenarzt Dr. Családi im Nacken. Er war ebenfalls geflohen. Wir nahmen zusammen ein Taxi. Gleich beim Einsteigen fragte er mich: »Haben dich die Valutays auch für nächsten Samstag eingeladen?«
»Tatsache, mein Lieber, haben sie. Aber …«
»Um Gottes willen, komm du auch, mein Bester, mir zuliebe. Wir unterstützen uns gegenseitig.«
Für Dr. Családi war es ein berufliches Muss, solche Abendgesellschaften zu frequentieren. Wie bei Porträtmalern und Architekten gehörte es zu seinem Beruf, bei Einladungen in noble Häuser zu erscheinen.
Dr. Családy ist ein guter Bekannter von mir, und so gab ich nach. Gut, auch ich werde zu den Valutays gehen.
Drei Tage später traf natürlich auch die schriftliche Einladung der gnädigen Frau ein. Wir würden uns freuen, Sie zu sehen. 20:30 Uhr. Adresse. V. K.
So wird man in der Gesellschaft herumgereicht, von Hand zu Hand, von Abendessen zu Abendessen.
Also bin ich an jenem Samstag mit der geziemenden halbstündigen Verspätung bei den Valutays erschienen.
Ihre Wohlgeboren residierten natürlich am Rosenhügel, in einer stattlichen Villa. (Es würde mich drei Pengő Taxigeld kosten, wenn ich mich um Mitternacht davonmache, denn um diese Zeit fahren keine Busse mehr.)
Ja, das muss ich erzählen: Im Salon, wo die geladenen Gäste unter lautem Geplapper darauf warteten, dass man sie zu Tisch bat, lag mitten auf dem runden Tischchen mit Spitzendecke in einer Ecke des Raumes ein Buch, in glänzendes Leder gebunden, mit Goldschnitt und Goldprägung auf dem Einbanddeckel. Dieser edel aufgemachte Band interessierte mich. Was konnte das sein, vielleicht die Memoiren eines klassischen Franzosen? Ich trat näher. Doch da fiel mir ein, was ich einstmals im ›Guten Benehmen‹ der Baronne de Staff gelesen hatte, dass man nämlich dort, wo man zu Gast ist, niemals etwas aus Neugier in die Hand nehmen darf. So beugte ich mich also nur darüber, um zu sehen, was es war. Nanu, da staunte ich aber. Ein Werk der Antike, auf Lateinisch! Was soll man dazu sagen, die gnädige Frau Valutay liest Seneca, und über dem Tischchen eine Leselampe, sie brennt, sogar jetzt, der riesige Lampenschirm wirft bernsteinfarbenes Licht auf das runde Tischchen. Vielleicht hat sie noch vor der Abendgesellschaft darin gelesen, in Senecas Trostschrift. Ich konnte mich gar nicht gebührend wundern, da stand die Dame des Hauses auch schon an meiner Seite:
»Gefällt es Ihnen?«, fragte sie und fügte sogleich hinzu: »Vielleicht doch besser erst nach dem Essen, verderben Sie sich nicht den Appetit damit!«
Die gnädige Frau hat schon recht, diese Trostleier des biederen Römers und das ganze von ihm geschilderte Jammertal könnten einem schon auf den Magen schlagen. Ich selbst habe auch einmal darin geblättert, aber auf Ungarisch, besaß damals lediglich eine billige Taschenbuchausgabe.
Beim Abendessen war ich Tischherr zur Rechten der am oberen Ende der Tafel thronenden Gnädigen.
Sie können sich denken, dass ich nun einigermaßen befangen war. Denn nicht im Traum hätte ich in dieser rundlichen Frau eine Dame von klassischer Bildung vermutet, nein, kein einziges Gramm Seneca war in diesen circa achtzig Kilogramm, die Ihre Hochwohlgeboren verkörperte, vorstellbar. Doch Geist ist offenbar keine Frage des Körpergewichts. Die empfindsamen Seelen des vergangenen Jahrhunderts genierten sich ja auch nicht, Speck anzusetzen. Ganz anders diese heutigen, nur scheinbar durchgeistigten Bohnenstangen, die meisten lesen nichts weiter als Bridge-Anleitungen und Cocktail-Rezepte. Schließlich hatte ich mit Frau Valutay noch keinen einzigen Satz geredet. Woher sollte ich wissen, was in der Wohlgeborenen alles schlummert. Jedenfalls muss ich mich schämen, dass ich die Dame auf den ersten Blick so ganz falsch eingeschätzt habe. Man sollte mit seinem Urteil eben nicht so voreilig sein.
Jetzt muss ich halt versuchen, mich mit der Gnädigen auf einem Niveau zu unterhalten, das eine ungewöhnlich gebildete Frau, die Klassiker in der Originalsprache liest, wohl auch erwarten kann.
Mit ziemlicher Beklemmung schlürfe ich die Consommé. Ob ich da mitkommen werde? Gott steh mir bei, ich werde es dir danken.
Es kommt die Vorspeise von der Art, die wie süße Mehlspeisen aussieht, obwohl sie mit Haché oder mit Fisch gefüllt ist. Diese Vorspeise aber sah gut aus, sie lächelte mich in der Farbe des
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