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Krúdy, G u. Szerb, A u. Szép, E

Krúdy, G u. Szerb, A u. Szép, E

Titel: Krúdy, G u. Szerb, A u. Szép, E Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ich liebte eine schöne Frau: Miniaturen
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die Überlegenheit einer sich geistreich oder klug artikulierenden Person beschämt fühlen. Intelligenz und Esprit werden bei den Engländern nicht so sehr estimiert, beides betrachten sie mit Argwohn. Keine dieser beiden Gaben ist für einen wahren Gentleman zwingend notwendig. Was seinen geistigenHorizont betrifft, ist der echte Gentleman guter Durchschnitt; Überdurchschnittlichkeit kaschiert er lieber, als sie herauszustreichen. Intellektuelle Eitelkeit ist beim Engländer unterentwickelt. Er zieht es vor, als gewitzter Bridgespieler statt als Geisteskapazität zu brillieren. Graf Sforza führt die Erfolge britischer Diplomaten auf ebendiese bei Engländern nicht vorhandene geistige Eitelkeit zurück. Der britische Diplomat macht sich, wenn es der Sache dient, auch zum Trottel – sein französischer oder italienischer Kollege bringt das nicht fertig, seine intellektuelle Arroganz verbietet es ihm.
    Und natürlich hüllt sich ein Engländer in allen Angelegenheiten, die das Schamgefühl auch nur im Mindesten verletzen könnten, in tiefes Schweigen. Allerdings ist er heutzutage nicht mehr ganz so tugendhaft wie noch zu Zeiten von Königin Victoria, als man selbst den Tischbeinen ein Höschen verpasste, damit sie nicht gar so nackt daständen. In einer reinen Männergesellschaft aber hat übrigens auch der Brite ein ziemlich loses Mundwerk.
    Wenn man über so viele Dinge nicht reden darf – worüber sollte man dann Konversation machen? Die Antwort auf diese Frage ist nicht so einfach, selbst Engländer sind sich da nicht einig, das lässt sich aus einem Buch schließen, das eine vornehme englische Dame verfasst hat, um ihren Landsleuten behilflich zu sein; sein deutscher Titel lautet: ›Wie man ein Gespräch beginnt und beschließt‹.
    Der Beginn einer Unterhaltung ist besonders heikel. Sehr gut geeignet für diesen Zweck ist das Wetter. In England gilt es nicht als Symptom einer gewissen Verblödung, wenn jemand das Gespräch mit dem Wetter einleitet, im Gegenteil, so verlangt es die Höflichkeit, beispielsweise von einem Kaufmann, seine Kunden mit Bemerkungen über das Wettergeschehen zu unterhalten. Was ja ganz natürlich ist, denn nirgends sonst beeinflusst die Wetterlage die Stimmung der Menschen so sehr wie im verregneten England. Weiter ist auch die königliche Familie ein ausgezeichnetes Gesprächsthema. Sie verdankt ihre große Popularität vermutlich nicht zuletzt dem Umstand, dass sie passenden neutralen Gesprächsstoff liefert. Aus meinem ersten Londoner Quartier bin ich jedenfalls auch deshalb schon nach wenigen Wochen geflohen, weil ich die endlosen und gänzlich uninteressanten Einzelheiten aus dem Leben der Royals zum Frühstück wie zum Abendessen nicht mehr ertragen konnte.
    Doch aller Anfang ist schwer. Wenn man in der Eisenbahn einen englischen Gentleman anspricht, wird der erst einmal in höchst reserviertem Ton antworten:
Pardon?
Doch wenn man sich davon nicht abschrecken lässt und weiterredet, stellt sich meist heraus, dass er ein netter, umgänglicher Mensch und glücklich ist, dass er angesprochen wurde.
    Ich erinnere mich an ein Gespräch, das ich in Paris auf dem Platz vor der Bibliothek mit einem Engländer begann, der wie ich dort arbeitete. Von ihm stellte sich nach anfänglich befremdlichem
Pardon?
heraus, dass er ein Lehrerkollege von mir war, und wir sind seither auch richtig gute Freunde. Er lebte damals schon drei Monate in Paris und hatte sich dort noch nie mit irgendjemandem unterhalten, und er wäre gewiss nach Hause abgereist, ohne mit einem Menschen ins Gespräch gekommen zu sein, wenn ich ihn nicht angesprochen hätte. Er schaffte es einfach nicht, die ersten Hürden zu überwinden.
    Ergibt es überhaupt Sinn, sich so zu verschließen, sich vor anderen so abzuschirmen, mit keinem Menschen Freude oder Leid zu teilen? Natürlich nicht. Gewiss übertreiben die Engländer hier maßlos. Machen einen Sport, eine nationale Tugend aus ihrer Wortkargheit. Der Gentleman, der aus seinem Club austritt, weil dort immer wieder jemand Guten Morgen zu ihm gesagt hat; oder der alte Brite, der seit Jahrzehnten im selben Clubsessel neben einem anderen alten Briten sitzt, ohne dass die beiden je ein Wort gewechselt hätten; sie haben gewiss eine seltsame, närrische Freude an dieser rekordverdächtigen Schweigsamkeit. Vernünftigere Inselbewohner finden sie inzwischen übertrieben.
    »Engländer sind steif wie Schürhaken« – hat einmal jemand behauptet –, »nur dass sie sich niemals

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