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Krúdy, G u. Szerb, A u. Szép, E

Krúdy, G u. Szerb, A u. Szép, E

Titel: Krúdy, G u. Szerb, A u. Szép, E Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ich liebte eine schöne Frau: Miniaturen
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doch wird er seine freundschaftlichen Gefühle nicht zeigen und schon gar nicht über sie sprechen. Ihm ist es furchtbar peinlich, wenn er erleben muss, wie sich Menschen vom Kontinent bei der Begrüßung oder Verabschiedung umarmen und küssen. Unter englischen Jungen gilt es als rührselige Geste, den Vater auf die Wangen zu küssen. Im Allgemeinen mögen sie kein großes Verabschiedungszeremoniell, sie ziehen den Rückzug auf die feine englische Art vor und sagen nur dann »Auf Wiedersehen«, wenn sie für Jahre nach Kanada oder Australien gehen. Lehrer geben sich in England drei Mal jährlich die Hand, nämlich bei der Verabschiedung in längere Ferien. Das Wort Freund meiden sie sogar in der brieflichen Anrede.
    Zurückhaltend und schweigsam ist der Engländer auch der Dame seines Herzens gegenüber. Ich weiß es nicht genau, aber vermutlich liebt er tatsächlich von Natur aus weniger leidenschaftlich als die Männer anderer Völker, auf jeden Fall spricht er viel seltener über die Liebe. Mit schönen Worten einer Dame den Hof zu machen ist ihm fremd. Englische Frauen nehmen schon das schlichteste Kompliment mit Überraschung und Freude entgegen, sind diesbezüglich überhaupt nicht verwöhnt. Gut, sie halten vermutlich den Ausländer, der ihnen mit großen Wortenschöntut, für ein bisschen verrückt. Der Engländer überzeugt eher durch Höflichkeit in der Tat.
    »Meine Landsleute agieren bei einem Zugunglück großartig, sind aber im Ballsaal kaum zu gebrauchen«, sagte eine englische Dame.
    Als zurückhaltend erweisen sie sich natürlich auch, wenn sie ihrer guten Laune oder Trauer Ausdruck geben. Schon im 18. Jahrhundert empfahl Lord Chesterfield in einem seiner berühmten Briefe, wir sollten öfter lächeln, aber niemals laut lachen. Traurigkeit ist übrigens noch weit mehr eine Privatangelegenheit als die Freude. Ihre Kümmernisse können Engländer bis zur Selbstverleugnung für sich behalten, wenn sie eine schlechte Nachricht erhalten, teilen sie diese nicht mit, über ihre Krankheiten pflegen sie nicht zu reden. Gänzlich unpassend erscheint es ihnen, mit anderen über ganz persönliche Angelegenheiten zu sprechen.
    »Er spricht nicht viel, weil er niemals über sich selbst redet«, konstatiert Čapek treffend über den Briten.
    Und da es sich nicht schickt, über Persönliches zu sprechen, ist die diesbezügliche Nachfrage erst recht fehl am Platz. Trifft man in Pest einen Bekannten, fragt der aus purer Freundlichkeit: »Wohin gehst du?« In England kann ein solcher Zeitgenosse nicht erwarten, für einen Gentleman gehalten zu werden. Ein Bekannter in Pest fragt mich in den ersten zwei Minuten, was ich so treibe, wovon ich eigentlich lebe, was ich verdiene, pro Monat, im Durchschnitt, und wie ich davon überhaupt existieren kann. In England unvorstellbar! Der Engländer verschluckt eher seinen eigenen Kopf, als so etwas zu fragen. Man kann wochenlang mit ihm zusammenwohnen, ohne zu erfahren, welchem Beruf er nachgeht, auch nicht, ob er Familie hat und was er macht, wenn ich nicht mit ihm bin. Das geht einem ziemlich auf die Nerven, doch will er andererseits auch von mir nichts Überflüssiges wissen.
    In Gesellschaft gehört es sich nicht, über geschäftliche und berufliche Angelegenheiten zu sprechen. Man redet nur über Dinge, die alle interessieren und zu denen jeder eine Meinung hat. So könnte es zwar sein, dass beispielsweise in Gesellschaft eines Arztes die eine oder andere medizinische Bemerkung für alle aufschlussreich und nützlich wäre, doch der Doktor würde sich dadurch, dass er über etwas redet, von dem er mehr weiß als die anderen, über diese stellen, und das wäre der Gipfel der Unschicklichkeit.
    Deshalb sollte man also keinerlei fachliche Gespräche führen, was natürlich die auch sonst nicht gerade sprühende britische Konversation noch viel langweiliger macht. Hocherfreut, wenn einen beispielsweise eine Einladung mit einem namhaften Historiker zusammenführt, wird man enttäuscht die Erfahrung machen, dass der Wissenschaftler ausschließlich über das Angeln sprechen möchte und ein berühmter Schauspieler über nichts anderes als die Qualität der Hotellerie in Südfrankreich zu plaudern wünscht.
    Der merkwürdigste Aspekt der englischen Schweigsamkeit aber ist, dass es in Gesellschaft einfach verpönt ist, klug und geistreich zu reden. Der Grund ist derselbe, der auch jegliches fachliche Gespräch verbietet: könnten sich doch die übrigen Anwesenden möglicherweise durch

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