Krumme Gurken
dazu. »Jeder normale Junge spielt Fußball.«
»Wir lieben es zu spielen – egal was«, sagte Katja.
»Spiele sind unser Hobby«, fügte Emma hinzu und die Mädchen kicherten.
»Lasst das!«, sagte Mia leise, aber ich hörte sie. »Mit Menschen sollte man nicht spielen.« Was meinte sie damit?
»Sei still!«, raunzte Anna.
»Klar spiele ich Fußball«, sagte ich. Ohne freilich hinzuzufügen, dass ich Fußball vor allem an meiner PS2 spielte – FIFA 10 – aber da war ich unschlagbar. Echt!
»Wir haben heute unser Jahresturnier mit dem Mädcheninternat aus Krummhartpenning und anderen Schulen.«
»Waas?«
»Na, Krummhartpenning!«
»Verstehe«, sagte ich, doch ich war so verwirrt, dass ich sofort unter die Dusche ging und mich dort abreagieren musste. Durch den krummen und harten Penning ist mir der krasse Teil der Nachricht ganz entgangen: Dass die Mädchen heute Fußball spielten. Als ich zurückkam, waren sie schon weg. Zu der Zeit wusste ich noch nicht, dass es in Bayern nur Kleinhartpenning und Großhartpenning gab. Keinen Krummen. Manchmal sind die Mädchen ganz schön raffiniert, oder?
Gleich nach dem Frühstück joggte ich zum See und schwamm ein paar Runden. Irgendwie machte mir das Schwimmen in der Natur immer mehr Spaß. Vor allem, weil ich meine Badehose dabeihatte. Die Flöte selbstverständlich auch und so konnte ich mir weitere Rockballaden antrainieren. Mädels mögen Balladen. Doch sogar beim Musizieren ratterte meine Denkdisc. Noch nie hatte ich über
eine Sache so brutal viel nachgedacht wie jetzt: Was konnte einem Lustiges passieren? Wieso fiel mir keine lustige Geschichte ein, verdammt?
Gegen Mittag kam ich zurück, in mein Grübeln gehüllt wie in einen Taucheranzug und suchte nach meinem Vater. Musste mich abreagieren. Das Denken abschalten. Das Kopfkino führte sowieso zu nichts. Vielleicht könnte ich Vati helfen? Er fuhr gerade den Schulminibus aus der Garage. »Wo kommsdn du jedz her?«, sagte er. »Kannsde ma meine Wergzeugdasche aus dor Gemeinschafdsdusche holn? Eene Dusche is kabbud, ’sch wollde n Wassrhahn weggsln, abor Frau Gorggs hat angerufn. Zur Dusche kommsch heude nimehr. ’sch muss aus dor Stadt Gedränke holn fürs Fußballdurnier. Da is alles alle.«
»Die Duschen im Sportgebäude? Dort am Wald?«
»Jou!«
»Wer spielt denn Fußball?«
»Na de Mädls!«
»Frauenfußball?«, fragte ich. Erst jetzt fiel mir ein, was die Mädels in der Früh gesagt hatten.
»Hier isses mit dor Gleichberechdigung bald soweid wie in Saggsn«, sagte mein Vater. »Frau Gorggs hat ma bei Bayern München gebäbbelt und darum spielen de Mädls Fußball.«
Ich joggte durchs Kloster zum Hintereingang. Ganz leer heute. Alle Mädchen waren auf dem Fußballplatz. Hmm … Frauenfußball im Mädcheninternat! Der Hammer, oder?
Die Umkleidekabinen und die Duschen lagen im neuen Gebäude am Wald. Unterwegs hörte ich einen Riesenradau vom Spielfeld. Vielleicht sollte ich eins meiner professionellen Fußballaugen auf die Show werfen? Bei FIFA 10 galt ich als der ungeschlagene Bastard von Dresden. Vielleicht
könnte ich den Mädels ein paar gut gezielte Tipps verpassen. Boah! Der Platz war gerammelt voll. Die ganze Schule versammelt.
»Oh, schön, Bennie, dass du uns als Fan unterstützt«, sagte Frau Korcks und lief weiter, um ein paar Hühner vom Feld zu scheuchen. Echte Hühner, meine ich. Wo waren aber meine Perlhühner, he, he? Ich spürte, dass die Zeit für ein paar ungesund selbstbewusste Sprüche reif war. Mann! Meine Mädels hüpften direkt auf dem Feld rum. Echt! Sie spielten. Katja, Anna … und sogar Mia hüpfte in einem gelbgrün gestreiften Fußballdress rum: Zentralabwehr. Wie ein Vollprofi: Da eine faule Grätsche, da ein Bodycheck… Doch die wahre Show zog auf dem Platz Emma ab: Sie mähte alles zu Boden, was ihr unter die Füße kam. Voll der Mähdrescher, die Frau! Schon nach zehn Minuten bekam sie eine rote Karte, zum Glück zusammen mit der von ihr gefoulten Gegenspielerin, diese hat Emma aus Rache gleich mit ihrem spitzen Ellbogen angegriffen. Den wehrte Emma aber übelst Jackie-Chan-mäßig ab. Als sie mir ihren Rücken zudrehte, wurde mir alles klar: Emma trug die Sieben: meine Glücksnummer bei FIFA 10. Aber hallihallo! Eine glorreiche Mannschaft! Die Mädchen passten zusammen wie der nackte Arsch zur Hose, wie mein Vater sagen würde: Katja füllte den Fußballplatz mit Hirn. Mia mit Musik – jawohl ihre Rundungen strahlten irgendwie Musikwellen
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