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Krumme Gurken

Krumme Gurken

Titel: Krumme Gurken Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: cbt Verlag: Verlagsgruppe Random House GmbH
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erfahren, die Süße.
    Und so blieb Anna bis zum Abend in meinem Kopf hängen. Beim Abendessen mit meinen Eltern konnte ich mich nicht richtig auf den Eintopf konzentrieren, den Mama aus der Kantine mitgebracht hatte.

    Später am Liebesloch schlotterte ich vor Aufregung. Doch es genügte ein Blick in meine Repertoire-Kiste und ich wurde wieder ungesund selbstbewusst. Das Heizungsrohr fühlte sich kalt und unbeteiligt an. Ich legte das Öhrchen ans Loch und hörte gleich, dass die Mädchen selbst für mich den Faden sponnen:
     

     
    »Ach!«, sagte Anna im Zimmer neben mir. »Mama hat angerufen. Sie will wieder wissen, ob ich mich entschieden hätte, in welche Richtung ich beruflich gehen will. Sie macht mir die ganze Zeit Stress damit. Kein Wunder, dass Papa sich von ihr getrennt hat.«
    »Ich möchte Sängerin werden«, sagte Mia. Keine Ahnung, weshalb Anna einen Lachanfall bekam. Egal, meine neue Freundin lachte eben gern.
    »Ich hab auch keine Ahnung«, sagte Emma. »Willst du immer noch Schriftstellerin werden, Katja?«
    »Das geht nicht so leicht.« Katja klang genervt. »Als Schriftsteller musst du zuerst was erlebt haben.«
    »Thomas Mann war schon mit zwanzig ein großer Schriftsteller«, sagte ich ins Loch.
    »Du kennst Thomas Mann?«, fragte Emma.
    »Von dem hat mal Bebbl erzählt«, sagte ich, um wieder in die Rolle des dummen Sachsen zu schlüpfen.
    »Dein Plattenbaufreund aus dem neunten Stock?«
    »Ja!« Ich nickte, obwohl es keiner sehen konnte. »Bebbl sagt immer, er könnte nie ein Schriftsteller werden. Ihm passieren nur so krasse Sachen, die ihm ohnehin niemand abkaufen würde.«
    »Was können ihm schon für krasse Sachen in einem Plattenbau
passieren?«, fragte Emma. »Außer dass ein paar Besoffene auf Skiern die Treppe runterrasen.«
    Ich ignorierte ihren gelangweilten Ton und machte mich bereit, um meine bei YouTube geklaute Geschichte loszuwerden.
    »Einmal am Abend ist Bebbl zu uns gekommen und hat uns ein heftiges Erlebnis erzählt«, sagte ich. »Bebbls Freundin hatte diesen Sonntag Dienst im Krankenhaus gehabt, und Bebbl hatte sich gelangweilt. Also ließ Bebbl vom Balkon – er wohnte ja im neunten Stock gleich über uns – verschiedene Haushaltsdinger an einem kleinen Fallschirm runtersausen. Aber auch das wurde dann irgendwann langweilig. ›Wenn ich nur einen echten Fallschirmspringer hätte‹, dachte Bebbl. Er borgte sich also den Hamster seiner Freundin aus. Dudi war dressiert und echt abenteuerlustig. ›Der freut sich sicher, dass er mal mit ’nem Fallschirm springen kann‹, sagte sich Bebbl. ›Das ist doch ein Abenteuer für so einen Hamster.‹ Sandy würde Bebbl zwar die Ohren bis zu den Brustwarzen dafür ziehen, ›aber sie erfährt’s nicht‹, sagte er sich. ›Der Hamster kann ja nicht sprechen!‹ Er hat Dudi also an den Fallschirm gebunden, ihm ein Stück Pappe untergelegt, damit er’s gemütlich hat, und ihn dann runterspringen lassen. Und, Mann! Dudi ist wie ein echter Fallschirmspringer geflogen, er versuchte sogar, mit den Füßchen etwas zu steuern.« Hier fingen die Mädels unten zu kichern an, also setzte ich Bebbls Erzählung fort, die ich Sascha Guddimar bei YouTube geklaut hatte: »›Dann drehte sich aber der Wind, im fünften Stock war ein Fenster offen und – SCHWUPP! – Dudi fliegt hinein. Blöd! Bebbl läuft nach unten – und glaubt’s mir oder nicht, aber das, was der Müller, der dort wohnt, ihm dann erzählt hat, ist echt wahr.

    Der Müller hockt mit seiner Frau beim Mittagessen, sie essen gekochten Kohlrabi, also etwas Vegetarisches, aber sie streiten wie die Schweine. Seine Frau hat ihm erzählt, dass sie in der Nacht eine Erscheinung hatte, einen Engel hat sie gesehen, und weil Müller schon wegen des Kohlrabis am Sonntagstisch so sauer war, hat er sie gleich angebrüllt, dass es keine Engel gibt, dass sie eine verrückte Tusse ist und dass man von gekochtem Kohlrabi sicher Magenkrebs bekommt, viel wahrscheinlicher als von einem ordentlichen Stück Fleisch, denn wenn was wie gekochtes Styropor schmeckt, kann’s in keinem Fall gesund sein!
    ›Du grober Mensch, du!‹, kreischte seine Frau. ›Schon deine Mutter hat mir erzählt, dass du am liebsten die Suppe gefuttert hast, die sie aus den Küchenabfällen der letzten Woche für eure Schweine gekocht hatte. Mein Kohlrabigulasch dagegen …‹
    ›Kohlrabigulasch?‹, fragte der Müller echt fassungslos.
    Da rannte die Frau aus der Küche ins Wohnzimmer, um sich dort auszuheulen.

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