Krumme Touren in Texas
öffnete die Tür des Bestattungsinstituts.
Eine goldene Lilientapete zierte die Wände, und ein
großer, funkelnder Kristallüster tauchte den Vorraum
in gedämpftes Licht. Die burgunderroten,
samtbezogenen Polstersessel waren farblich auf den
Teppich abgestimmt.
Auf einer Schmuckplatte an der Tür zu meiner
Rechten stand »Osthalle«. Ich wußte nicht, warum –
sie lag an der Nordseite des Hauses. Drinnen standen
sechs Kirchenbänke, ausgerichtet auf einen weiteren
Raum linkerhand. Schwere, dunkelblaue Vorhänge,
von quastengeschmückten Bändern gerafft, hingen in
dem gewölbten Durchgang, der die beiden Räume
miteinander verband.
Ein silberfarbener Sarg, der Waymon Stovall
enthielt, stand offen auf einem Podest im zweiten
Zimmer, das schwach erleuchtet war von flackernden
Kerzen in schwarzen, schmiedeeisernen Kandelabern.
Drei alte Damen in schwarzen Kleidern und Hüten
hatten soeben den Leichnam besichtigt, setzten sich
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auf eine Kirchenbank direkt vor mir und unterhielten
sich flüsternd über den lieben Verstorbenen.
»Ist der Anzug neu, den er anhat?«
»Ach, sei nicht albern. Das ist der Anzug, den er
jeden Sonntag trägt.«
»Ich meine, der ist neu.«
»Earthman hat ihn wirklich gut zurechtgemacht,
findet ihr nicht auch?«
»O ja, sie machen dich immer gut zurecht hier.«
»Ich habe meinen Kindern gesagt, wenn ich sterbe,
will ich, daß sie mich zu Earthman in der Main Street
bringen.«
»Er sieht so natürlich aus.«
Die anderen beiden nickten, dann machten sie
nachdenkliche Gesichter.
»Aber irgend etwas stimmt nicht ganz. Vielleicht
ist es sein Haar. Ich glaube, er trug den Scheitel auf
der anderen Seite.«
Ich bekam langsam nervöse Zuckungen vom
Zuhören.
»Vielleicht sind es seine Augen.«
»Das stimmt! Irgendwas ist mit seinen Augen –
besonders mit dem rechten.«
Ich konnte mich nicht länger beherrschen und
lehnte mich zu ihnen vor. »Aber natürlich ist etwas
anders an ihm! Er ist tot, Herrgott noch mal.«
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Eingeschnappt standen sie auf, sagten: »Das ist
eine Unverschämtheit!« und rauschten hinaus.
Ich holte mir einen runden Papierfächer mit einem
Bild vom Jesuskind, der mit Draht an einem flachen
Holzstiel befestigt war, und fächelte los. Es war mein
Schicksal – ständig mußte ich rumlaufen und Leuten,
die lieber die Augen verschlossen, das Offensichtliche
unter die Nase reiben. Sie schrien einfach danach.
Eine ältere Frau, an beiden Armen von einem
Mann in schwarzem Anzug gestützt, kam herein. Die
Witwe Stovall.
Die
drei
schritten
langsam
in
den
Aufbahrungsraum und starrten die Leiche an. Die
Frau zog ein weißes Taschentüchlein hervor und
betupfte sich Augen und Nase. Andere Leute
wanderten ein und aus, warfen einen Blick auf den
Verstorbenen und tätschelten der Witwe die Schulter.
Sie schritt zur ersten Bank und setzte sich, um Hof zu
halten. Ich wartete auf eine Gelegenheit, mit ihr allein
zu sprechen.
Plötzlich wurde es still im Raum, gespannte
Erwartung lag in der Luft. Eine Frauenstimme,
kräftig und gebieterisch, drang von draußen zu uns
herein. Ich drehte mich um, damit ich besser sehen
konnte. Alle anderen taten das gleiche.
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Eine hochgewachsene, imposante Frau trat ein,
gefolgt von einer Gruppe Männer. Ihr Haar war
rötlichbraun, ihre Augen hatten die Farbe von
Smaragden. Sie sah gut aus, auf die Art, wie ein
Leopard gut aussieht, und beim Gehen bewegte sich
ihr Körper in der Kleidung wie ein Tier in seinem
Fell. Schwester Jasmine.
Sie blieb wegen des dramatischen Effekts im
Durchgang stehen, ließ den Blick langsam durch den
Raum schweifen, nickte ihrem Publikum mit einem
offenen, wohlwollenden Lächeln zu und segnete
schweigend ihre Schäfchen. Bis sie mich sah. Ich
beobachtete sie neugierig, wie eine Forscherin, die
eine Amöbe studiert. Ihr Lächeln veränderte sich nur
leicht, aber genug, um vom Geistlichen zum
Fleischlichen zu wechseln, ihre Lider senkten sich
kurz, dann hoben sie sich wieder. Aus ihrer Art zu
gehen konnte ich schließen, daß sie im Bett schreien
und kratzen würde. Ihr Blick forderte mich heraus, es
auszuprobieren. Ich war schockiert über das
unverblümte Angebot. In diesen wenigen Sekunden
blickte ich in ihre Seele und sah ein Inferno, neben
dem das von Dante wie Würstchenbraten am Feuer
von Pfadfinderinnen ausgesehen hätte. Ich schüttelte
den Kopf und spürte, wie mein rechter Mundwinkel
zuckte.
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Ihr Blick wanderte an mir
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