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Krumme Touren in Texas

Krumme Touren in Texas

Titel: Krumme Touren in Texas Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Deborah Powell
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vorbei, um den Rest der
    Anwesenden zu inspizieren, während ich nach Luft
    schnappte. Sie reichte ihre Handtasche einem der
    Männer hinter ihr, ohne ihn auch nur anzusehen. Mit
    langsamen,
    geschmeidigen,
    beherrschten
    Bewegungen tigerte sie quer durch den Raum zu der
    trauernden Witwe.
    Hölle und Spucknapf. Sie war von der Sorte, die
    mit dir schläft und anschließend deine Knochen
    knackt und das Mark auslutscht. Ich lehnte mich
    zurück und fächelte wie verrückt.
    Schwester Jasmine unterhielt sich eine gute halbe
    Stunde leise mit der Witwe und spendete ihr Trost.
    Ich hatte mir schon gedacht, daß Stovall Mitglied in
    der Gemeinde der Schwester war, wegen des
    Kirchenblatts in seiner Schreibtischschublade.
    Sie hatte eine große Gemeinde – man könnte es
    schon als fromme Herde bezeichnen. Vor einigen
    Jahren war sie in die Stadt gekommen und hatte in
    einem Zelt auf einem verlassenen Gelände im
    Norden der Stadt angefangen. Als die Schar ihrer
    Anhänger wuchs, zog sie erst in ein Haus im Osten
    und von dort zu einer kleinen Kirche. Schließlich
    hatte ihre Gemeinde, bekannt als die Jesus People,
    das große Bible Cyclorama im Shepherd Drive Ecke
    Westheimer Road gebaut. Hinter dem Allerheiligsten
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    gab es Räume, wo Jasmine und ein paar ihrer
    geistlichen Führer religiöse Einzelberatungen und
    Kleingruppensitzungen abhielten.
    Vor ein paar Monaten war eine Reportage über
    Schwester Jasmine und das Bible Cyclorama in der
    Times erschienen. Die Reporterin hatte mir erzählt,
    daß es ihr in der Kirche eiskalt über den Rücken
    gelaufen war. Schwester Jasmines Völkchen war ihr
    zwanghaft ergeben. Seit dem Einsetzen der
    Depression hatte Religion Hochkonjunktur – die
    Armen wollten eine Lösung, und jede Flasche, die
    sich einen Lumpen um den Kopf wickeln konnte,
    erklärte sich plötzlich zum Yogi mit der wahren
    Botschaft. Gebete waren billig, und an jeder
    Straßenecke
    standen
    barfüßige
    Gesundbeter,
    Propheten, Erlöser, Schlangenbeschwörer, Mystiker,
    Spiritisten, Astrologen und Fußwäscher. Manche
    waren gut, aber die meisten waren Scharlatane und
    Schwindler, die gutgläubigen Leuten nur das Geld
    aus der Tasche ziehen wollten. Schwester Jasmine
    hatte mehr Klasse als die meisten. Dennoch war sie
    durchtrieben,
    manipulierend,
    verschlagen,
    hinterhältig, raffiniert und charismatisch. Eine
    typische Südstaaten-Evangelistin.
    Endlich eiste sie sich von der Witwe los und ging
    zur Tür. Die Männer folgten ihr stillschweigend. Sie
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    blieb stehen, wandte sich an den nächsten hinter ihr
    und flüsterte ihm etwas ins Ohr. Er nickte und
    antwortete flüsternd. Sie drehte sich um und nahm
    Kurs auf die Bank, wo ich fächelnd saß. Ich stand auf
    und blickte sie mit ausdrucksloser Miene an.
    »Hallo, Miss Carpenter.«
    Ich war etwas, allerdings nicht sonderlich erstaunt,
    daß sie wußte, wer ich war. Ich war ziemlich bekannt
    in der Stadt.
    »Hallo,
    Schwester.
    Wie
    läuft
    Ihr
    Seelenrettungsgeschäft? Hält Sie vermutlich in Trab,
    und das bei der Hitze.«
    »Es hält mich in Trab«, sagte sie mit einem
    strahlenden Lächeln, das ihr ganzes Gesicht
    aufleuchten ließ.
    »Das habe ich gehört.«
    Ihre Augenbrauen hoben sich. »Tatsächlich? Was
    haben Sie denn gehört? Nur Gutes, hoffe ich.«
    »Eigentlich nicht, Schwester. Aber das sollte Sie
    doch nicht stören in Anbetracht dessen, daß Gott auf
    Ihrer Seite steht und überhaupt.«
    Ihr Lächeln verschwand. »Sie müssen bei
    Gelegenheit in die Kirche kommen und sich von mir
    retten lassen, bevor es zu spät ist. Es heißt, meine
    geistlichen Beratungssitzungen bewirken wahre
    Wunder.«
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    »Suchen Sie sich lieber eine leichtere Zielscheibe,
    Schwester. Ich fürchte, bei mir ist Hopfen und Malz
    verloren.« Ich lachte lautlos.
    »Auf einen Versuch würde ich es gern ankommen
    lassen.« Sie lächelte, dann verließ sie würdevoll den
    Raum und nickte ihrem Volk im Vorübergehen zu.
    Sehr interessant. Die Frau war etwa so geistlich
    wie ein Warzenschwein mit einer Rechenmaschine.
    Aber sie hatte es wahrhaftig geschafft, eine Menge
    Leute zum Narren zu halten.
    Ich lungerte eine Weile herum, dann schob ich los
    zur Witwe, die allein dasaß.
    »Hallo, Mrs. Stovall«, sagte ich in teilnahmsvollem
    Tonfall. Ich bemühte mich, eine Trauermiene
    aufzusetzen. »Mein Name ist Hollis Carpenter. Ich
    bin diejenige, die Ihren Gatten gefunden hat.«
    »Ach?« Sie machte ein verwirrtes Gesicht.
    Sie war Ende fünfzig, wirkte aber viel

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