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Kruzifix

Kruzifix

Titel: Kruzifix Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Xaver Maria Gwaltinger
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jeden Bock an seiner Tastatur herum.
    »Über Gott und die Welt.«
    »Ach was?!«
    »Ich mein, nicht über Gott und die Welt, ich hab eine Kolumne gehabt, hab ich immer noch, die heißt ›Gott und die Welt‹. Über zwanzig Jahre lang.«
    »Und warum machen Sie damit nicht weiter?«
    »Ich will mich noch mal verändern.«
    »Bei uns? Im Kemptener Tagblatt? Sie können schreiben, Sie können’s mir mit der Post schicken oder selber bringen oder faxen oder mailen oder mit Keilschrift in Stein kratzen oder den Säuen verfüttern oder gleich in den Papierkorb werfen. Wir haben keinen Bedarf. Und kein Geld. Und Gott und die Welt interessiert hier keinen. Wir sind Allgäuer. Keine Franken.«
    »Ich dachte vielleicht an Features. Ich hab mal über eine Kapelle in Tal was geschrieben, wenn Sie’s lesen wollen …«
    »Ich hab keine Zeit zum Lesen. Ich hab nicht einmal Zeit zum Schreiben.«
    »Was machen Sie dann hier?«
    »Anzeigen aufnehmen. Die Luise ist krank.« Er deutete mit dem Kinn auf einen leeren Schreibtisch. »Maul- und Klauenseuche.«
    »Aber dann könnte ich Ihnen doch die Arbeit abnehmen. Wenn Sie Anzeigen aufnehmen.«
    »Gott und die Welt und Kapellen in Tal oder wo auch immer geht den Leuten hier am Arsch vorbei. Probieren Sie’s doch einfach mal im Diözesanblatt. Da passt das besser.«
    »Aber … wie machen Sie dann Ihre Zeitung? Da steht doch allerhand drin. Politik sogar. Machen Sie das alles ganz allein?«
    Sein Gesicht erhellte sich ein wenig, wie von einem Hund, der einmal nicht geschlagen wird.
    »Ja, alles allein. Die Politik und den ganzen Scheiß kriegen wir von der Schwäbischen Landeszeitung.«
    »Und der Lokalteil?«
    »Den kriegen wir vom Diözesanblatt und den paar protestantischen Gemeindebriefen. Liest sowieso keiner.«
    »Also heut zum Beispiel, da steht doch dieser interessante Artikel über den toten Pfarrer in Tal. Mit dem Herztod. Aus gut unterrichteten Kreisen. Und so hopplahopp. Gestern früh passiert – und dazu noch am Sonntag –, heut früh schon in der Zeitung. Respekt!«
    Meine Bemerkung elektrisierte ihn. Wie von der Tarantel gestochen riss er sich von seinem Bildschirm los und schaute mir zum ersten Mal ins Gesicht.
    »Was ist denn daran interessant? Nix! Scheren Sie sich doch um Ihren Gott und seine Welt!«
    »Wer sind denn die gut unterrichteten Kreise?«
    »Das geht Sie einen Scheißdreck an!«
    Ich hatte auf einmal Oberwasser.
    »Warum gehen S’ denn da auf wie eine Dampfnudel? Ich hab halt nur denkt, ich wohn da in Tal, und ich war am Sonntag auch in der Kirch, und ich hör, was die Leut sagen, und da könnt ich Ihnen doch ein Feature schreiben.«
    »Feature. Wie Rind-feature. Für Rindviecher. Einen Dreck interessiert mich Ihr Feature.«
    »Wär aber interessant.«
    »Wieso, was reden denn die Leut?«
    »Allerhand.«
    »Was allerhand?«
    »Allerhand eben. Was die Leut so reden. Vom Theo. Und vom Datschi. Und außerdem war ich dabei. Ich war der Notfallseelsorger.«
    »Sie? Sie waren der?«
    »Ahhh – woher wissen denn Sie, dass da ein Notfallseelsorger war?«
    »Von der … von gar niemand, und das geht Sie schon gleich gar nix an.«
    »Schad, wär eine schöne Geschichte geworden.«
    »Raus! Raus jetzt!«
    »Der erste Teil der Geschichte tät zum Beispiel in der Redaktion des Kemptener Tagblattes spielen, wo ein Redakteur die Nerven verliert, weil einer kommt und was weiß …«
    »Raus!«
    »Passen S’ auf, wenn S’ so weitermachen, geht’s Ihnen noch wie dem Theo Amadagio. Plötzlicher Herztod … Hier ist meine Karte.«
    Ich gab sie ihm. Auf ihr stand: »Dr.   Emil Bär. Psychoanalytiker. Sprechstunden nach Vereinbarung.«
    Er schaute kurz drauf und verfiel in Schnappatmung.
    Ich spielte meinen zweiten Trumpf aus.
    »Hier ist noch eine Karte. Ich handel nämlich damit …«
    Ich legte sie ihm daneben: »Dr.   Emil Bär. Dipl. Psych. Klinikseelsorger.«
    Sagte:
    »Zurzeit bin ich nur auf meinem Handy zu erreichen. Steht auch drauf. Falls Sie doch ein Feature brauchen sollten. Oder eine Behandlung für Ihre Nerven. Oder gegen Impotenz. Oder die letzte Ölung. Was Ihnen lieber ist …«
    »Hau ab«, plärrte er.
    Ich dachte: Leck mich am Arsch.
    Ich sagte:
    »Leck mich am Arsch!«
    Drehte mich um und ging.
    Ich trat in die Sonne hinaus.
    Kaiserwetter. Ich der Kaiser.
    Ich hatte mich schon eine Ewigkeit nicht mehr so sauwohl gefühlt.
    Aber das war erst der Anfang vom Sauwohlfühlen.

Brüderliche Erpressung
    Das Kaiserwetter hielt an.
    Auch an

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