Kruzifix
Tedi an der Flugbegleiterin vorbei.
»Super Airline!«, sagte ich.
Sie zeigte mir ein Queen-of-England-Lächeln, sagte: »Pfüad di!«
Bussi, Bussi. Im Geiste.
Ich war froh, als ich aus der Hitze herauskam und in die klimatisierte Halle hinein. Ich schwitzte wie die Sau. In Australien war jetzt Winter. In der Früh um den Gefrierpunkt, eisiger Südwind vom Pol. Südpol natürlich. Wahrscheinlich grelle Sonne am blauen Himmel. In dreißig Stunden würde ich froh sein um mein geripptes Schiesser-Unterhemd und die gefütterte Jacke von C & A . Charme & Anmut. Extra gekauft. C & A . Die Marke für die Jungen. Nicht von RELDA . Altmännermarke.
Die Frankfurter Schlange war etwa vierhundertmal so lang wie die am Flugplatz Memmingen.
Es war eine deutsche Schlange. Mit Körperkontakt. Arsch an Arsch und Wadel an Wadel stand der gesamte böhmische Adel. Von vorn inhalierte ich diverse Deodorants, die alle nach Schlecker, Insolvenzschnäppchen und Aufregung rochen. Von hinten wehte mir Natur pur ins Genick. Knoblauch. Soll ja gesund sein. Selbst wenn’s nur Passivknoblauch ist.
Dann kam eine Ansage.
Wir schoben uns wie eine Rindviehherde in eine andere Halle und waren angehalten, aus dem Haufen von Koffern, Rucksäcken und Hutschachteln unser Handgepäckstück rauszusuchen.
Sicherheit. Terror.
Endlich war ich in der richten Welt angekommen. Von der ich sonst nur in der Allgäuer Rundschau las. In der Wirklichkeit angekommen. Der internationalen. Nicht nur dabei. Sondern mittendrin.
Ich kam mir wieder mal richtig wichtig vor. Schon fast vergessen, wie das ist.
Zwischenlandung in Kuala Lumpur. »Zusammenfluss der drei Flüsse« heißt das, hatte mir mein erster Psychoanalytiker stolz erzählt. Er war Chinese aus Malaysia. Die Stadt der drei Flüsse. Wie Fürth. Ich hatte mal für ein paar Jahre in Fürth am Klinikum gastiert. Fürth: Pegnitz, Regnitz und Rednitz. Auf Malaysisch heißt das »Kuala Lumpur«. Schöne Sprache. Bringt drei Flüsse in zwei Wörter. Später erfuhr ich, dass »Kuala Lumpur« heißt: schlammige Flussmündung. So viel zum Idealisierungsbedürfnis meines Analytikers. Wahrscheinlich hatte er einfach Heimweh.
Vor fünfundzwanzig Jahren war ich schon mal da. In Kuala Lumpur. Am Flugplatz in Sepang. Da war der Frederick noch klein. Wir fanden einen Bonbonladen mit den schönsten Bonbons der Welt.
Er war noch immer da, der Bonbonladen, Bonbons sind ein krisensicheres Geschäft. Ich kaufte eine Tüte. Mitbringsel für meinen kleinen Buben. Jetzt war er ein kleiner Professor. Ob er sich erinnern konnte? Vielleicht ja, wenn er die Bonbons lutschte.
Irgendwann waren wir wieder in der Luft, das heißt, die Maschine war in der Luft, wir saßen im Mief, die Leute dösten vor irgendeinem Videofilm und furzten schlafend in die Sitze.
Ich wusste nicht mehr, worauf ich sitzen sollte. Mein Hintern tat weh. Wohin soll ich mich wenden … Egal, wie ich mich drehte und wendete in dem Sardinensessel.
Mein Nachbar auf der Fensterseite hatte die ganze Reise verschlafen. Aus seinem Flachmann geschluckt und geschlafen. Es wurde Morgen. Jedenfalls hell. Er reckte sich. Mein Nachbar links zum Gang hin schaute asiatisch aus. Er lächelte, wenn er nicht schlief.
Ich erschrak. Die Boeing 747 heulte sanft auf. Ein dumpfer Ruck ging durch ihren Rumpf. Stürzen wir nun doch noch ab?
»Sie haben das Fahrwerk ausgefahren«, erläuterte mein Nachbar am Fenster. Auf Deutsch. Er war deutsch. Sehr. Ein Einwanderer der fünfziger Jahre. Seither Dauerpendler zwischen Australien und Deutschland. Stammgast bei Lufthansa.
Er zog seinen Bauch ein, presste sich gegen seinen Sitz, sagte:
»Schauen Sie mal runter! Sydney. Sehen Sie … die Harbour Bridge … in der Sonne. Im Winter ist die Sonne am klarsten …«
Ich schaute durch das runde Fenster. Sagte:
»Und die vielen blauen Punkte …«
»Swimmingpools«, erklärte er. »Tausende.«
Sie wurden immer größer. Das Meer kam immer näher, ich dachte, macht er jetzt eine Wasserlandung? Aber sah dann, dass die Rollbahn ein Stück in den Pazifik hinausragte.
Zweimal hoppelte die Maschine milde auf der Landebahn von Mascot, ein donnerndes Brausen drückte die Passagiere in ihren Sitzen nach vorne. Der Bordlautsprecher bat, man möchte Platz behalten, auch nachdem das Flugzeug ausgerollt war.
»The customs«.
Ich wusste aus meiner glorreichen Vergangenheit in Australien, dass das der Zoll war.
Mein rechter Nachbar übersetzte: »Der Zoll.«
Er wurde gesprächig.
Er
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