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Kruzifix

Kruzifix

Titel: Kruzifix Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Xaver Maria Gwaltinger
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schweren Tropfen fielen. Donner wummerten heran. Wir standen vor der Alm.
    Ich sagte:
    »Von der Olivia Obholzer.«
    Willibald Rössle zuckte. Ich dachte, jetzt hat ihn der Blitz getroffen.
    Käsweis war er.
    »Hast mit ihr geredet?«
    »Ja.«
    »Dann weißt du ja …«
    »Alles.«
    »Alles?«
    »Alles.«
    Ich dachte, er kippt um.
    Ich sagte:
    »Aber du weißt noch nicht alles. Ich soll dir sagen, es geht ihr gut. Sie ist wieder gesund. Und glücklich.«
    Er atmete durch, wie erlöst.
    Ich fuhr fort:
    »Und ich soll dir auch sagen, dass sie heiraten wird. Nächstes Jahr Himmelfahrt. Sie hat die Liebe ihres Lebens gefunden. Hat sie gesagt. Einen evangelischen … Pastor … in Sydney.«
    Willibald Rössle sah mich an.
    Ein Blitz schlug ein. Donnerschlag. Es fing an zu schütten.
    In seinen Augen ging das Licht aus.
    Wortlos ging er ins Haus.
    Bevor er in der Tür verschwand, rief ich:
    »He! Noch eine Frag! Ich weiß doch noch nicht alles.«
    Er erstarrte in seiner Zeitlupenbewegung.
    Horchte. Nach hinten.
    Ich sagte ihm auf den Hinterkopf zu:
    »Du hast mich beschissen. Du hast gewusst, wer den Theo umgebracht hat. Dann hast du mich erpresst. Ich sollte den Fall aufklären. Warum?«
    Er sprach ins dämmrige Bauernhaus hinein:
    »Der Bischof wollte einen Bericht. Extern. Damit man uns glaubt. Die Presse und so. Du warst extern. Und ich hatte dich in der Hand. Mit deinem geschlamperten Verhältnis. Wenn das Ergebnis von deinem Bericht nicht gepasst hätte, wäre der Bericht verschwunden, oder passend gemacht worden. Aber es ging ja gut …«
    »Und dafür hab ich den Toni auf dem Gewissen. Wenn ich ihn mit meinem Geschnüffel in Ruhe gelassen hätte, wäre er noch am Leben … Und jetzt dämmert mir auch, warum du so großzügig gewesen bist mit dem Taufgeschenk an unsere Patenkinder …«
    »Die Schuld …«
    Ja, die Schuld. Ich hatte mein Honorar ja auch hergeschenkt. Sagte:
    »Freikaufen wollten wir uns …«
    Er sagte: »So viel Geld gibt’s gar nicht, dass man sich freikaufen kann …«
    »Und die Obholzer. Die hast du einfach nach Australien entsorgt. Warum?«
    Er drehte sich um, schaute mir ins Gesicht:
    »Tätst du eine Mörderin heiraten?«
    »Du scheinheiliger Arsch, du scheinheiliger. Schau, dass zum Teufel kommst!«
    Er verschwand im Haus.
    Ich ging in meine Dachwohnung.
    Jetzt hatte ich es hinter mir.
    Der Richter und sein Henker.
    Ja, ich wusste alles.
    Alles wusste ich von der Olivia Obholzer … alles:
    Sie hatte ein Verhältnis mit Willibald Rössle gehabt. Geheim natürlich. Aber Theo Amadagio hatte irgendwie davon Wind bekommen. Er hatte Rössle erpresst. Er konnte von ihm haben, was er wollte, er konnte machen, was er wollte, er hatte Rössle in der Hand, und die Obholzer ebenso.
    Rössle wollte ihn versetzen. Wegen seiner Weibergeschichten. Ins Kirchenarchiv nach München. Bücher abstauben. Aber der Theo Amadagio wollte nicht. Er wollte in Tal bleiben. Rössle konnte nichts machen. So wächst Hass. Die Obholzer hasste den Theo Amadagio sowieso. Er ließ sie als Musikerin und Künstlerin nicht hochkommen. Behandelte sie wie Dreck, lachte sie aus. Und Rössle konnte nichts dagegen tun … Er versprach seiner Geliebten, der Olivia Obholzer: Wenn der Amadagio nicht mehr wäre, würde er sie zur Kirchenmusikdirektorin des Bistums machen, dann seinen Dienst beenden und sie heiraten.
    »Ich war von Ehrgeiz zerfressen und dem Rössle hörig. Eine Karriere und eine Ehe … in meinem Alter … ein Traum!«, hatte sie mir in der Kirche in Sydney erzählt. »Ich dachte, ich bring den Amadagio um, und es geht so einfach, Rössle und ich dachten uns einen Plan aus, einfach und effektiv. Kein Hahn würde nach dem fremden Dorfpfarrer krähen, außer vielleicht ein paar von seinen Verehrerinnen. Wir wussten ja, wie er’s getrieben hat. Und mit wem. Aber sie würden lautlos krähen … müssen. Ich präparierte eine Schokolade mit Gift, ich wusste, er hatte einen süßen Zahn. Ich wusste auch, er bereitet sich jeden Samstagnachmittag auf die Sonntagsmesse vor. Ich ging Samstagnachmittag in die Sakristei. Ich gab ihm eine von den Pralinen, eine vergiftete. Er steckte sie sich ohne Nachdenken und ohne mich überhaupt zu beachten in den Mund. Ich war Luft für ihn. Wie immer. Fünf Minuten später lag er da. Ihre Theorie mit dem Sauschlegel ist zwar sehr rustikal und plausibel, aber sie stimmt nicht. Ich habe ihn vergiftet. Ich wartete, bis der Messner Adolf kam, um abzusperren. Er kam, machte große Augen.

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