Kryptum
weshalb er sich mit dem Gedanken trägt, jeden Esel, den er nur findet, dafür einzusetzen.‹
Die Menge lacht über das lustige Wortspiel. Kaum etwas ist in Antigua dem Volk so verhaßt wie der Bau des Alkazars, dem man die letzte Steuererhöhung zuschreibt, deren Erlaß vor wenigen Wochen auf dem Marktplatz – wo sowieso viel gestritten wird – zu einem heftigen Wortwechsel geführt hat. Don Manuel ist über die Verwegenheit des Possenreißers verblüfft. Doch wenn dessen Worte schon tollkühn gewesen sind, so ist die Reaktion des Eselchens noch dreister. Es starrt seinen Herrn voller Entsetzen an, so als verstünde es wirklich, was dieser ihm da in Aussicht stellt: all die Arbeit, die es auf der Baustelle erwartet, die schweren Steinbrocken, die es zum Alkazar hochschleppen muß. Das Grautier tut deshalb so, als sei ihm auf einmal ganz elend, es läßt sich der Länge nach auf den Boden fallen und streckt alle viere von sich. Sein Bauch ist augenblicklich ganz aufgebläht, und es hat die Augen geschlossen, als ob es tot wäre. So gut verstellt es sich, daß nicht einmal mehr seine langen Wimpern zucken.
Der Spaßmacher bricht nun in verzweifelte Klagen über den Verlust seines Eselchens aus. Noch während er es laut beweint und seine Tugenden preist, zieht er den Hut und geht damit herum, um für einen neuen Esel zu sammeln. Kaum hat er die Münzen in seinen Beutel gesteckt und sich mit einer tiefen Verbeugung bedankt, zwinkert er der Menge schelmisch zu und fährt dann fort.
›Glaubt nicht, daß mein Esel wirklich das Zeitliche gesegnet hat. Dieser Vielfraß weiß genau, wie arm sein Herr ist, und hat sich bloß so lange totgestellt, damit ich ihm von dem Geld, das Ihr mir gerade gespendet habt, Luzerne kaufe.‹
Daraufhin dreht er sich zu seinem Esel um und befiehlt ihm, aufzustehen. Aber das Tier bleibt liegen, ohne auch nur mit der Wimper zu zucken. Da packt der Gaukler seinen Stock |239| und hebt an, als wolle er ihm eine gehörige Tracht Prügel verpassen. Doch vergebens: Das Eselchen rührt sich nicht. Der Bursche weiß sich nun keinen anderen Rat mehr, als sich wieder an seine Zuschauer zu wenden, wobei er den Esel nicht aus den Augen läßt.
›Meine Herrschaften, falls Sie es noch nicht wissen, der Stadtrat hat anläßlich des bevorstehenden Fronleichnamsfestes ein Edikt erlassen. Es werden hochgestellte Persönlichkeiten erwartet, und man möchte ihnen einen großen Empfang bereiten. Deshalb hat man angeordnet, daß alle Damen der guten Gesellschaft und sämtliche schönen Frauen der Stadt auf Eseln reiten sollen, die vorher mit reichlich Hafer zu füttern sind, damit ihr Fell an besagtem Festtag auch schön glänzt.‹
Kaum hat es diese Worte vernommen, da springt das Eselchen mit einem Satz auf die Beine, um sich vor den Schaulustigen mit seiner Kraft und seinem guten Willen großzutun, wofür es erneut stürmischen Beifall und großes Gelächter erntet.
Auch Don Manuel und sein Sohn klatschen begeistert. Da spürt der alte Mann plötzlich eine Hand auf seiner Schulter, und als er sich umdreht, sieht er sich einem verschlagen grinsenden Spitzbuben gegenüber. Was er schon lange befürchtet hat, ist eingetreten.
Er weiß sehr gut, wer dieser Mann ist, der da vor ihm steht. Sein Familienname ist Mimbreño, doch alle kennen ihn nur unter seinem Spitznamen Zenturio. Ein ehemaliger Soldat, ein Maulheld, dessen Gesicht von einer tiefen Narbe entstellt ist. Man hat ihn aus der Wache des Alkazars entlassen, weil er ständig Streit anzettelte. Ein gerissener, roher Kerl ist er, der sich dem Trunk ergeben hat und dem drei Schluck Branntwein zuviel schon reichen, um Händel zu suchen. In diesem Zustand beschimpft er alle Welt, schlägt den Huren die Zähne aus, und wer sich ihm entgegenstellt, den sticht er nieder. Er ist gefürchtet, denn er zeigt keinerlei Scheu, sich für jegliche Art von Schmähschriften und beißende Spottreden herzugeben, und er hat schon an einigen unbescholtenen Bürgern Rufmord |240| betrieben. Auch schreckt er nicht davor zurück, so oft mit dem Messer zuzustechen, daß die Kinnbacken des Opfers blutig herunterhängen; oder jemandem ätzende Essenzen ins Gesicht zu schütten; oder an den Türen entehrende Hörner und an den Kirchenportalen Zettel mit dem Namen und den Strafen des Verurteilten anzubringen; oder die Nachbarn gegen wen auch immer aufzuhetzen, solange dessen Feinde ihn nur entsprechend dafür bezahlen.
Dieser grobschlächtige Kerl steht also vor Don Manuel und
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