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Kryptum

Kryptum

Titel: Kryptum Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Agustín Sánchez Vidal
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aber um durchaus gebildete Männer handelte, dachte sich der Admiral, daß jemand sie vielleicht noch für einen annehmbaren Preis erwerben würde, um sie mit der Erziehung seiner Söhne zu betrauen. So verkaufte er einen in Tunis an einen Händler aus Al-Kairawan und den zweiten in Fes. Den dritten aber, den weisesten von allen, nahm er mit nach Córdoba.
    Die Nachricht von der Ankunft des Schiffbrüchigen in Córdoba verbreitete sich blitzschnell unter der jüdischen Bevölkerung, die ihn freikaufte und mit Aufmerksamkeiten überschüttete. Streng geheim hielt man indes, wo er wirklich herkam. Rom war nur der letzte Hafen gewesen, den sein Schiff angelaufen hatte. Eigentlich stammte der alte Mann aus Jerusalem und war ein Nachfahre jener Israeliten, die nach Babylon verschleppt worden waren, nachdem Nebukadnezar II. die Heilige Stadt eingenommen und Salomos Tempel dem Erdboden gleichgemacht hatte.
    Bekümmert über die Verstreuung der zwölf Stämme Israels, hatten die Rabbiner im babylonischen Reich einst Verbindung mit einer geheimen Bruderschaft aufgenommen, die Wächter überkommenen Wissens. Ihr Name lautete ETEMENANKI, was soviel heißt wie
Der letzte Schlüssel
. Die initiierten Brüder hüteten Geheimnisse, die noch älter waren als Babylon selbst, insbesondere jene eine Sprache, die allen anderen zugrunde liegt und mit dem Turmbau von Babel verlorenging, eine Sprache, deren Kenntnis es einem erlaube – so hieß es –, die Dinge auf den ersten Blick zu verstehen, da man ihr |305| ureigenes Wesen begreife, so wie Gott sie geschaffen habe, und nicht nur ihre äußere Erscheinung.
    In eben jenem Jahr, in dem die drei Greise von der Flotte des Kalifen vor dem Ertrinken gerettet wurden, war der Großmeister dieser Bruderschaft gestorben. Und die drei Schiffbrüchigen waren seine gelehrigsten Schüler gewesen. Nie erfuhr man, was sie dazu bewogen hatte, sich auf eine so lange und gefährliche Reise zu begeben, ebensowenig wie den Grund, warum sie das über Jahrhunderte gehütete Wissen der Bruderschaft in Gefahr gebracht hatten, wäre es doch ein unersetzlicher Verlust gewesen, da es nur mündlich weitergegeben wurde.
    Der einzige Mensch, der in diese Geheimnisse je wirklich eingeweiht werden sollte, war Hasday Ibn Shaprut, der aufgeweckteste Schüler des Greises, den Córdobas Juden nach seinem Freikauf mit der Leitung der Rabbinerschule betraut hatten. Ibn Shaprut war der älteste Sohn einer sehr reichen und mächtigen Familie jüdischer Händler, und er gewann das Vertrauen des altehrwürdigen Mannes so schnell, daß er eine wirklich außergewöhnliche Begabung haben mußte. Er sprach alle bekannten Sprachen und schrieb flüssig Griechisch, Latein, Arabisch und Hebräisch. Seine Klugheit, der Charme seiner Worte, seine Überzeugungskraft waren unbeschreiblich. Es hieß über ihn:Wären alle Ozeane Tinte, Federkiele die Rohrkolben der Sümpfe und der Himmel hoch oben Papier, so würde dies alles dennoch nicht ausreichen, um sein ganzes Wissen niederzuschreiben.
    Auch al-Hakam II. setzte großes Vertrauen in Hasday Ibn Shaprut. Aufgrund der langen Regierungszeit seines Vaters, Abd ar-Rahman III., übernahm Al-Hakam II. erst sehr spät, im Alter von sechsundvierzig Jahren, das Amt des Kalifen. Er hatte reichlich Zeit gehabt, seinen Geist gewissenhaft zu bilden, aber auch Zeit genug, seinen Widerwillen gegen diese Machtposition zu hegen, die ihn nie begeistern konnte. Er hatte ein befriedetes Reich geerbt und zudem ein unermeßliches Vermögen, das sich auf über zwanzig Millionen Goldmünzen |306| belief. Er war einer der reichsten Monarchen der Welt.
    Nie wieder würde dieses Reich so hochgeschätzt noch Córdoba so glanzvoll sein, mit seiner halben Million Einwohner, seinen achthundert Moscheen und tausend Bädern. Große Bedeutung hatten für al-Hakam II. die Förderung von Kunst und Kultur und vor allem die Errichtung einer großen Bibliothek, die einen ganzen Palast einnahm. Ihr Grundriß war so angelegt, daß man von ihrem Mittelpunkt aus, wo unzählige Kalligraphen arbeiteten, sämtliche Regale überblicken konnte, die wie die Blätter einer Blüte in alle Richtungen strebten.
    Jedesmal, wenn eine Mission in irgendeinen Teil der Welt aufbrach, trug der Kalif den Gesandten auf, alle Buchrollen und Kodizes, deren sie habhaft werden konnten, mitzubringen. Sein Vertrauter Ibn Shaprut hatte zudem den Zöllnern des Kalifats den Befehl erteilt, jeden Band, der ins Reich gelangte, in die Bibliothek bringen zu

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